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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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war es in ihrem Bauch. Da unten. Als käme erst jetzt, um Jahre verspätet, die letzte, ganz entsetzliche Druckwelle seines Unglücks und machte alles endgültig wahr. Hast du es überhaupt versucht? flüsterte sie, dachte, wie kann es sein, dass ich davon nichts mitgekriegt habe, dass ich nicht drauf gekommen bin, bei ihm auch in dieser Hinsicht vorzufühlen. Seinen ganzen Körper hab ich umsorgt, und gerade das hab ich vergessen? Das? Und ausgerechnet bei ihm?
    Ich hab es viermal versucht, sagte er, viermal, das ist schon ziemlich repräsentativ, oder?
    Mit wem? fragte sie erstaunt, mit wem hast du’s denn versucht?
    Gerade hier spielte er nicht den Bescheidenen: Einmal mit der Kusine eines Verwundeten, der neben mir lag, einmal mit einer Volontärin aus Holland, die da gearbeitet hat, einmal in der Reha mit einer Soldatin vom Pflegedienst und einmal, vor kurzem, mit einer Frau, die ich am Strand getroffen habe. Er sah ihren Gesichtsausdruck: Was guckst du so? Nicht ich hab damit angefangen! Die haben mich …
    Siehst du, kicherte er hilflos, da zeigt sich, dass sich die Phantasien von Frauen hinsichtlich von Gefangenen auch auf Kriegsgefangene übertragen lassen. Anders kann ich mir das nicht erklären.
    Vielleicht hast du ihnen einfach gefallen? brach es aus ihr hervor, erregt von Eifersucht. Vielleicht ist dein Charme ja unverletzt geblieben? Vielleicht waren nicht einmal die Ägypter in der Lage …
    Er steht mir nicht, Ora. In dem Moment wo ich mit ihnen im Bett bin, kann ich nicht.
    Dabei onaniere ich ganz gut, fügte er hinzu, aber wie lang kann es einer nur mit sich allein aushalten. Und außerdem, er gab ihr freiwillig eine Information, auf die sie gar nicht erpicht war, klappt es in letzter Zeit auch mit dem Onanieren nicht. Wenn ich Largactil nehme, komm ich nicht mehr.
    Hast du sie denn wirklich gewollt? fragte sie; etwas in ihrer Stimmespaltete sich in verschiedene Richtungen. Vielleicht hast du sie ja nicht wirklich gewollt?
    Ich wollte sie, und wie ich sie wollte, brummte er wütend, ich wollte ficken, was soll’s, ich rede jetzt nicht von unsterblicher Liebe, ich wollte einen Fick, Ora, was bist du denn so …
    Aber vielleicht waren sie nicht die Richtigen für dich? flüsterte sie und dachte schmerzerfüllt, eine Frau, die mit Avram ist, muss ganz genau auf ihn und seine Feinheiten eingestimmt sein.
    Die waren in Ordnung. Such jetzt bloß keine Ausreden für mich, sie waren genau richtig für das, was …
    Und mit mir, fragte sie mit leerem Blick, könntest du mit mir schlafen?
    Plötzlich Schweigen.
    Mit dir?
    Sie schluckt. Ja, mit mir.
    Ich weiß nicht, murmelt er, meinst du das ernst?
    Damit würde ich nicht spaßen. Ihre Stimme bebte.
    Aber wie …
    Wir haben es doch sehr schön gehabt.
    Ich weiß nicht, ich hab das Gefühl, mit dir nie mehr im Leben …
    Aber warum nicht? Sie stürzt sich sofort in ihre Wunde. Wegen der Verlosung? Weil ich dich ausgelost habe?
    Nein, nein.
    Dann wegen Ilan?
    Nein.
    Sie schnappt sich noch eine Tomate, schneidet sie fast matschig.
    Also, warum nicht?
    Nein. Mit dir nicht mehr.
    Bist du dir so sicher?
    Sie standen vor der Arbeitsplatte des Spülsteins, berührten sich nicht, schauten die Wand an. Ihre Schläfen pochten im Einklang.

    Und Adam? fragt Avram.
    Was ist mit ihm?
    Avram zögert. Er ist sich nicht sicher, was er fragen will.
    Adam? Jetzt interessierst du dich für Adam?
    Ja, ist das nicht in Ordnung?
    Doch, doch, völlig in Ordnung, lacht sie, frag, was du willst. Zu diesem Behufe sind wir hier angetreten.
    Ich meine, war er als Kind auch so … Weißt du, erzähl mir von ihm einfach, was du magst.
    Schau an, jetzt geht es los, denkt sie und streckt sich ein bisschen.
    Sie gehen durch ein Gebüsch von krustigen Becherflechten und Salbei. Auch die Eichen hier sind niedrig wie Büsche. Ihre Schritte erschrecken die Echsen; Eidechsen flitzen unter ihren Füßen weg. Sie gehen nebeneinander, suchen Wegzeichen, die von den üppigen Pflanzen verschluckt wurden, und Ora schaut heimlich auf ihre Schatten, die vor ihnen über die Büsche gleiten. Wenn Avram beim Gehen die Arme schlenkert, sieht es einen Moment aus, als lege er ihr die Hand auf den Rücken, und wenn sie ihren Körper im Sonnenlicht ein bisschen in Position bringt, kann sie es hinbekommen, dass der Schatten seines Armes sich um den Schatten ihrer Hüfte legt.
    Adam, sagt sie, war genauso schmal wie Ofer, aber er ist dünn und rachitisch geblieben.
    Avrams Blick zerstreut sich gleichgültig, doch

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