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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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schwere Kopf wackelt, die Kränkung, so überrascht worden zu sein, und danach – das Staunen in seinem Gesicht, er schaut sie an, nur sie, als solle sie ihm erklären, was er gerade gemacht hat.
    Und wo war Adam? fragte Avram.
    Adam? Der saß noch in der Küche, nehme ich an, er hat bestimmt weitergegessen – sie hält inne: Wie Avram sofort registriert hat, dass Adam nicht dabei war, und wie er sich sofort auf seine Seite schlägt –, aber als er mein Lachen und Ilans Röhren hörte, kam er sofort angerannt.
    Wie lebendig und klar dieses Bild ist: Adam packt mit der Faust Ilans Hosenbein, registriert mit schiefem Kopf den Erfolg seines kleinen Bruders. Seine Mundwinkel senken sich nur ein klein bisschen, zu einer Grimasse, die über die Jahre im langsamen Prozess, in dem sich die Seele ins Fleisch gräbt, zu einem Gesichtsausdruck wurde.
    Weißt du, das alles hat drei oder vier Sekunden gedauert, nicht dass du denkst, dass sei eine große Geschichte gewesen. Und dann sind wir alle drei zu Ofer gerannt und haben ihn umarmt, und er wollte natürlich gleich wieder aufstehen. Überhaupt, seit er das Stehen entdeckt hat, war er nicht mehr zu halten.
    Sag, seufzte sie, willst du das alles wirklich hören, oder machst du das nur für mich?
    Er nickt mit abgewandtem Kopf, eine Geste, die sie nur schwer deuten kann. Vielleicht meinte er beides? Und warum eigentlich nicht? denkt sie, das ist schon eine Menge, nimm, was du bekommst.
    Wo war ich stehngeblieben?
    Dass er gefallen ist.
    Aj, seufzt sie schmerzhaft überrascht, scharf. Die Luft zischt aus ihr heraus, sag das nicht.
    Verzeih Ora, ich hab nicht nachgedacht.
    Ist schon in Ordnung, sagt sie. Weißt du, solange ich mit dir über ihn rede, ist er okay – geschützt.
    Warum?
    Keine Ahnung. Aber das spür ich. Dann ist er beschützt. – Klingt das sehr verrückt?
    Nein.
    Soll ich weitererzählen?
    Ja.
    Sag einen ganzen Satz.
    Erzähl mir mehr von ihm.
    Von Ofer.
    Von Ofer, erzähl mir mehr von Ofer.
    Dann haben wir ihm beim Aufstehn geholfen, sagt sie – ihre Lider flattern einen Moment, als sehe sie etwas, was zu überwältigend war: Avram hat Ofer gesagt; er hat ihn berührt! – und wir haben ihn auf die Beine gestellt und haben um ihn die Hände ausgebreitet und gerufen, er soll zu uns kommen, und er machte wieder ein paar Schritte, wackelte ganz langsam los …
    Zu wem?
    Was?
    Zu wem von euch beiden?
    Ah, sie bemüht sich, sich zu erinnern, überrascht von seiner neuen Schärfe, von einem Glanz der Entschlossenheit auf seinem Gesicht. Wie früher, dachte sie, wenn er etwas Neues verstehen musste, einen Gedanken, eine Situation, einen Menschen, und dann anfing, ihn zu umkreisen, in gemäßigtem, sehr leichtem Galopp, mit funkelnden Augen wie ein Raubtier.
    Zu Adam, erinnert sie sich überrascht, ja, natürlich, er ist zu Adam gegangen.
    Wie hat sie das vergessen können. Der winzige Ofer, ernst und konzentriert, mit angestrengtem Blick, offenem Mund und vorgestreckten Armen, sein Körper schwankt vor und zurück, er läßt eine Hand sinkenund hält das Gelenk der anderen, als verkünde er damit, er sei ein geschlossenes System, unabhängig und sich selbst genug. Sie sieht es ganz lebendig vor sich: Sie, Ilan und Adam stehen vor ihm, alle ein bisschen voneinander entfernt, breiten die Arme zu ihm aus und rufen ihn lachend. Ofer, Ofer, locken sie ihn, komm doch!
    Und während sie erzählt, begreift sie, was sie damals gar nicht wahrgenommen hat, den Moment, in dem Ofer das erste Mal zwischen ihnen wählte, und auch die Not, in der er sich befand, weil sie ihn zu dieser Wahl zwangen. Sie schließt die Augen und versucht, zu erahnen, was in ihm vorging, er hatte ja noch keine Wörter, denkt sie, nur so ein Ziehen und Stoßen in sich, und sie und Ilan und Adam jubelten und hüpften vor ihm herum; vielleicht zerriss es Ofer dort auch, wie es nur ein Baby zerreißen kann, und sie wendet sich schnell von dieser Szene seiner Not ab, und schon leuchtet auf ihrem Gesicht Adams freudiges Staunen, als Ofer sich ihm zuwendet: Staunen, Freude und Stolz, die für einen Moment die mürrische Unzufriedenheit von seinen Lippen wischen und sie zu einem erregten, ungläubigen Lächeln hochziehen: Er war erwählt worden, man wollte ihn. Jetzt erinnert sie sich – ein ganzer Strom von Bildern, Stimmen und Gerüchen wallt in ihr auf, alles kehrt plötzlich zurück –, wie Adam Ofer begrüßt hatte, als sie und Ilan ihn etwas mehr als ein Jahr vorher aus dem Krankenhaus nach Hause

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