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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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gebracht hatten, das muss sie Avram erzählen, vielleicht nicht jetzt, noch nicht, um ihn nicht zu überschwemmen, doch sie erzählt es trotzdem: Adam hüpfte und hampelte um sie herum, seine Augen glühten vor Angst, er schlug sich mit beiden Händen immerzu auf die Wangen, ohrfeigte sich selbst mit aller Kraft und schrie wie wild: Ich freue mich! Ich freue mich so!
    Auch an sein abgehacktes Zwitschern erinnert sie sich jetzt, das aus den Tiefen seines Körpers drang, wenn er sich in den ersten Monaten Ofers Bettchen näherte, eine ganze Abfolge unbeherrschter kleiner Schreie, eine Mischung aus Zuneigung, Eifersucht und Erregung, die nicht alle in ihm Platz fanden, und so hatte er auch gezwitschert, als Ofer im Moment der ersten Erwählung auf ihn zugewackelt kam, und vielleicht war es auch ein anderes Zwitschern gewesen, wer weiß das schon, sagt sie zu Avram, vielleicht leitete er Ofer damit auch an, ermutigte ihn in einer Sprache, die nur sie beide verstanden?
    Ofer machte einen Schritt nach dem andern. Lief und fiel nicht hin, vielleicht half ihm auch das Zwitschern seines Bruders, mit dem er seine Willenskraft verband, irgendwie das Gleichgewicht zu halten. Wie ein winziges Flugzeug im Sturm, sehnsüchtig einem vom Kontrollturm ausgesandten Strahl folgend, ging er weiter, kam an und sank in die Arme seines Bruders, und beide kugelten sich auf dem Teppich, ineinander verschlungen, kreischend vor Freude, und plötzlich hat sie das Bedürfnis, diese kleine Erinnerung irgendwo aufzuschreiben, damit sie ihr nicht für weitere zwanzig Jahre entflieht: Nur in ein paar Worten Ofers Ernsthaftigkeit beim Gehen beschreiben, und Adams kreischende Erregung und seine gewaltige Erleichterung, und mehr noch, wie die beiden sich wie Welpen aneinanderschmiegten. Sie meint, da wurden sie wirklich zu Brüdern, in dem Moment, als Ofer sich für Adam entschied. Es war vielleicht das erste Mal in Adams Leben, dass er wirklich glaubte, erwählt zu sein. Ora lächelt wie verzaubert angesichts ihrer sich balgenden Kinder auf dem Teppich, denkt, wie weise Ofer schon damals war, dass er wusste, wie er sich Adam anvertrauen konnte, und sich in dem Gewirr von Geheimnis und Schweigen, das zwischen ihren und Ilans geöffneten Armen lauerte, nicht fangen ließ.
    So lief er das erste Mal, schließt sie diese Geschichte nun eilig ab. Sie ist erschöpft und lächelt Avram angestrengt an.
    Das zweite Mal.
    Wieso das zweite Mal?
    Das hast du selbst gesagt.
    Was?
    Dass ihr das erste Mal, seine wirklich ersten Schritte, nicht gesehen habt.
    Sie zuckt mit den Schultern. Ach so, stimmt. Aber was tut das …
    Schon gut, nur so.
    Sie fragt sich, ob er hier etwas merkwürdig auf einer historischen Genauigkeit beharrt oder ob er mit ihr und Ilan feilscht im Sinne von: »Ich hab es nicht gesehen, aber ihr auch nicht.«
    Ja, sagt sie, du hast recht.
    Für einen Moment schauen sie einander an, und plötzlich weiß sie: Er feilscht. Mehr noch, vielleicht rechnet er ab. Diese Entdeckungerschreckt sie, wühlt sie aber auch auf. Ein erstes Zeichen der Auflehnung und des Erwachens von einem, der, unterdrückt und zum Schweigen gebracht, zu lange geschlafen hat. Nun wird ihr klar, dass auch keiner dabei war, als Ofer sich das erste Mal vom Bauch auf den Rücken drehte. Stimmt das wirklich?
    Einen Moment, nicht länger, zögert sie, dann erzählt sie es Avram, berichtet ihm die schlichten Tatsachen, die jetzt auch ihn etwas angehen, weil er sie endlich einfordert. Er kneift die Augen zusammen. Beinah kann sie sehen, wie sich die Räder in seinem Hirn zu einer Bewegung durchringen, die sie nicht gewohnt sind.
    Die Sache ist die, erklärt sie, wir haben ihn eigentlich nie länger allein gelassen. Ilan war in dieser Hinsicht leicht hysterisch, er war überhaupt viel ängstlicher als ich. Ein weiteres Aufflackern der Blicke – eine wertvolle Information ist übermittelt worden und angekommen – fügt sich zu dem, was sie vorher über Ilans Sinn für die leisen Signale von Ofer gesagt hat. Eine schmale graue Furche huscht über Avrams Stirn: So ein Vater ist Ilan gewesen. So ein Vater für dein Kind.
    Irgendwie kam es so, fährt sie fort, dass er diese Dinge wie Umdrehen, Sitzen, Stehen, Gehen das erste Mal gemacht hat, wenn er allein war.
    Ist das, brummt Avram und schaut auf seine Fingerspitzen, ist das etwas Besonderes?
    Um ehrlich zu sein, bis jetzt hab ich mich das noch nie gefragt, sagt Ora. Ich habe noch nie eine Liste seiner ersten Male gemacht. Aber zum

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