Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Verborgenen von ihr in ihn. Seine winzige Hand ruhte auf ihrer Brust, der kleine Finger war abgespreizt, die anderen Finger bewegten sich im Rhythmus des Trinkens, und mit der anderen Hand zerrieb er den Stoff ihres Morgenrocks, eine seiner Haarsträhnen oder sein Ohr, und er schlug die Augen auf und schaute sie an. Sie tauchte in seinen Blick, versenkte sich in seine Augen und hatte das Gefühl, als präge sich ihr Gesicht in sein weiches, noch nebelhaftes Hirn. Sie erlebte einen ergreifenden Moment der Ewigkeit. In seinen Augen sah sie ihr Abbild, und siehe, sie war schöner denn je. Sie schwor ihm, einen guten Menschen aus ihm zu machen, zumindest einen besseren, als sie selbst es war. Sie würde all das besser machen, was ihre Mutter an ihr falsch gemacht hatte.
Ihre Ergriffenheit quoll über, ein Strahl Milch spritzte Ofer auf Gesicht und Nase, und der, ganz überrascht, konnte nicht atmen und begann zu weinen.
Beim Gehen umarmt sie jetzt ihren Körper, der von einer starken Welle mitgerissen wird. Vergessene Empfindungen, das Einschießen der Milch, der Druck, die feuchten Flecken, die sich immer wieder mitten auf der Straße, bei der Arbeit, im Café, wenn sie nur an Ofer dachte, auf der Bluse abzeichneten, ich brauchte nur an ihn zu denken, schon hab ich getropft, lacht sie, und Avram, dessen Gesicht in ihrem Licht leuchtet, fragt sich, ob sie auch Ilan von ihrer Milch hat probieren lassen.
Ganz plötzlich legt sich ein Schatten über sie, mitten am Tag. Sie gehen im Nachal Zivon, eine merkwürdige tiefe Schlucht, die sie verstummen lässt. Der Weg windet sich zwischen scharfkantigen Felsen hindurch; sie müssen klettern und genau darauf achten, wohin sie den Fuß setzen. Die Eichen, um die sie herumgehen, hatten immer noch höher wachsen müssen, um das Sonnenlicht zu erreichen. Bleicher Efeu und lange Farne ergießen sich von den Baumkronen. Sie gehen durch zerbröselndes Laub, zwischen blutlosen Zyklamen und Albino-Pilzen. Hier ist es fast dunkel. Fühl mal, sagt sie und legt seine Hand auf einen bemoosten Felsen. Eine weiche, pelzige Berührung in völliger Stille. Zwischen den dicht stehenden Bäumen ist kein Vogel zu hören. Wie ein Märchenwald, sagt Ora leise. Avram schaut sich in allenRichtungen um. Seine Schultern richten sich etwas auf. Seine Daumen rennen, zählen ununterbrochen die anderen Finger. Keine Angst, sagt sie, ich find schon den Weg hier raus. Schau mal dort, sagt er, einem Lichtstrahl gelingt es, das Laub der Baumkronen zu durchdringen und die Wange eines Felsens zu streicheln.
Wenn wir zurück sind, denkt er, werde ich ein Buch über Galiläa lesen; schon eine Landkarte würde ausreichen. Ich möchte wissen, wo ich gewesen bin.
Wie wäre es für sie gewesen, hier mit Ofer statt mit mir zu wandern, fragt er sich, worüber hätten sie geredet. Wie ist es überhaupt, ganz allein mit seinem Kind an so einem Ort zu sein. Bestimmt schrecklich peinlich. Aber Ora hätte ihn ja nicht schweigen lassen, Avram lächelt, sie hätten gar nicht aufgehört zu reden, sie hätten bestimmt auch heimlich über Leute gelacht, die sie unterwegs trafen. Vielleicht auch über mich, wenn sie mich zufällig getroffen hätten.
Sie steigen auf dem schmalen Pfad zwischen kriechenden dicken Baumwurzeln nach oben. Die Rucksäcke werden schwer. Sie denkt, wie es wohl gewesen wäre, wenn Avram und Ofer hier im Wald spazieren gegangen wären. Alleine. Eine Männerreise.
Plötzlich, als hätte jemand mit der Hand über ihr Gesicht gewischt, verlassen sie den Schattenbereich und treten ins Sonnenlicht. Noch ein paar Sekunden, dann fällt ihr Blick auf eine große Weide, einen Berg und weiß blühende Obsthaine. Ist das schön, flüstert sie, um die Stille nicht zu erschüttern.
Der Weg ist weich und eben, ein ausgetretener breiter Gehweg mit einem Streifen Gras in der Mitte. Wie eine Pferdemähne, denkt Avram.
Sie erzählt ihm von Ofers Erkundungsexkursionen durch das Haus, von seinen hartnäckigen Nachforschungen zu jedem Buch, das er auf den unteren Regalbrettern fand, zu den Blättern der Topfblumen, zu den Töpfen und Deckeln in den unteren Schubladen der Küchenschränke. Sie gibt Avram jeden Splitter Erinnerung, der ihr aus Ofers Kindertagen noch einfällt. Der Sturz vom Stuhl, die Naht am Kinn mit den sieben Stichen. Die Katze, die ihn auf dem Spielplatz im Gesicht gekratzt hat, und sie beruhigt ihn gleich, ihm sei keine Narbe davon geblieben, und Avram fährt unbemerkt mit der Hand über einige
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