Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Fell, ab und zu schwingt einer einen prächtigen Schwanz, an dem noch Anzeichen vergangener Pflege und Verwöhnung zu erkennen sind, wie einen Taktstock. Alle haben entzündete Augen, mit einer Schicht von gelbem Eiter und Schmutz bedeckt, die jetzt erschreckend weiße Blicke zu ihnen aussenden, als ziehe die Wut ihre Schädel nach hinten. Bei einigen umschwirren Fliegen offeneWunden. Ora wird immer deprimierter. Von jeher hatte sie ein besonderes Verhältnis zu Hunden und glaubte fest, sie und ihre Sprache zu verstehen; Hunde hatten ihr alles mit Gutem vergolten und ihr immer Liebe entgegengebracht. Nikotin – ein Geschenk für Ilan, als er mit dem Rauchen aufhörte – war für sie durchschaubar und verständlich wie eine Geschwisterseele gewesen. Was aber hier passiert, ist gegen die Natur, ist ein Aufstand. Verrat. Jetzt also verraten sie auch noch die Hunde. Der große Schwarze steht reglos da, prüft die Situation, und die anderen – auch Ora und Avram – betrachten ihn voller Spannung. Dicht hinter ihm befindet sich der goldene Hund. Als Ora ihn eingehender mustert, wendet er verlegen den Kopf ab und fährt sich mit der Zunge übers Maul, und plötzlich weiß Ora, dies ist eine Hündin.
Steine, sammel Steine, zischt Avram aus dem Mundwinkel, wir bewerfen sie mit Steinen.
Nein, sagt sie, berührt seinen Arm, warte.
Bloß nicht zeigen, dass wir Angst haben …
Warte, mach gar nichts, die werden schon gehn.
Die Hunde legen die Köpfe schief, als verfolgten sie ihr Gespräch.
Und schau ihnen nicht in die Augen. Bloß nicht in die Augen.
Avram senkt den Blick,
Sie stehen einander schweigend gegenüber. Ein Falkenpaar kreist über ihnen, vollführt ein Balz-Ballett.
Das Brustfell des großen Schwarzen sträubt sich. Er geht los, zieht langsam einen weiten Kreis um sie. Die anderen Hunde sind angespannt. Auch ihr Fell sträubt sich.
Scheiße, faucht Avram, diese Chance haben wir verpaßt.
Der Schwarze zieht einen unsichtbaren Kreis um sie, er wendet keinen Blick von ihnen. Die anderen schauen ihn ausdruckslos an. Nur ihre Schwänze schlagen rhythmisch. Ein wunderschöner Windhund verlässt seinen Platz und läuft dem Schwarzen hinterher. Zwei dreckige gelbe Hunde schließen sich mit einem Hyänenlächeln an. Ora und Avram tauschen Blicke. Avram scharrt mit dem einen Schuh immer mehr Steine um sich. Die Hunde umkreisen sie jetzt, sie schließen den Kreis. Ora sucht das goldene Weibchen, denkt sich, wie wild und mutig sie aussah, als sie neben dem schwarzen Hund gestandenhat. Ein schönes Paar, geht es ihr mit einem Anflug merkwürdiger Eifersucht durch den Kopf: die vergessene Sehnsucht, ein schönes Paar zu sein.
Plötzlich springt ein Funke über und es scheint, als hätte der Kreis selbst, die Kreisform, in der sie sich bewegen, in den Hunden einen uralten Trieb entzündet. Auf einen Schlag werden ihre Züge scharf, die Gesichter und die Körper eindeutig. Wölfe, Hyänen und Schakale ziehen im Kreis um sie herum. Auch Ora und Avram bewegen sich um die eigne Achse. Avrams Rücken berührt ihren Rücken. Er ist feucht. Sie bewegen sich zusammen, vor und zurück, zu den Seiten. Sie sind ein Körper. Sie hat den Eindruck, dass Avram mit tiefer Stimme undeutlich und heiser brummt, aber vielleicht ist sie das auch selbst.
Die Hunde um sie herum werden schneller. Es ist ein gemäßigtes Laufen. Sie sucht fiebrig nach der Goldenen. Sie muss sie unbedingt finden. Ihr Blick gleitet von einem Hund zum nächsten. Hier ist sie. Sie rennt mit den andern. Ora wird traurig: Auch das Gesicht dieses Weibchens ist jetzt scharf gemeißelt, die hochgezogenen Lefzen legen ihr Zahnfleisch frei.
Ein grauer Blitz schießt vorbei, etwas schnappt von hinten ihr Hosenbein, packt ihre Wade, und Ora zuckt zusammen und tritt, ohne hinzuschauen, um sich, und sie trifft; ihr Fuß zerspringt fast vor Schmerz, und ein dreckiger zottiger Hund bellt mit entsetzlich dünner Stimme und haut ab, setzt sich in einiger Entfernung hin und leckt seinen Hinterlauf. Ein anderer Hund, ganz und gar getigert und sehr muskulös, schießt aus dem Kreis hervor, springt auf sie zu und prüft sie mit einem sonderbaren Lächeln. Sie schreit ihn an, fuchtelt mit Armen und Beinen, und er kneift den Schwanz ein und weicht etwas zurück, schaut sie mit einer Art Staunen an, das sie verlegen macht und für einen Moment wieder zur Besinnung bringt.
Avram neben ihr stößt hohe, verzerrte Töne aus, nicht Wörter, sondern abgehackte Silben, wie Krämpfe
Weitere Kostenlose Bücher