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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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du – mich – so – bedrängst!
    Aber was hätte er dort tun können? schreit Avram, ein Bein in der Hose, das andere noch in der Luft. Für einen Moment hüpfen sie beide voreinander auf einem Bein, kämpfen mit ihren störrischen Hosen, schreien beide, und die Hündin bellt verängstigt. Was hat er da zu suchen gehabt? Dich, dich hat er da gesucht! Ist der denn verrückt, den Rambo zu spielen?
    Sie setzen sich wieder hin, außer Atem.
    Ich brauch einen Kaffee, schnaubt er, steht auf und sucht im Dunkeln ein bisschen Holz und Reisig. Sie machen Feuer. Die Nacht ist kalt und lebendig. Vögel schreien im Schlaf, Kröten quaken mit vollen Stimmen, Schleichkatzen kreischen, irgendwo bellen Hunde, die Hündin rennt hin und her, schaut beunruhigt übers dunkle Tal, und Ora denkt, vielleicht hört sie ihr Rudel bellen? Vielleicht bereut sie es, sich uns angeschlossen zu haben?
    Hör zu, die wollten ihn nach dem Krieg dafür vor Gericht stellen, sagt sie und fügt leiser hinzu, aber die Umstände, das ganze Chaos – so haben sie ihn in Ruhe gelassen.
    Er konnte doch kaum schießen, legt Avram wieder los, was hat er sich denn gedacht? Hast du ihn das nicht gefragt?
    Doch.
    Und, was hat er gesagt?
    Na, was wohl? Dass er vor allem jemanden gesucht hat, der ihn erschießt.
    Was?
    Dass ihm einer diesen Gefallen tut, zitiert sie Ilan. Was schaust du so? Genau das hat er gesagt.

    Um zehn Uhr früh erreichten Ilan und der Panzersoldat den Posten Chamama am Suezkanal, gegenüber von Ismailia. Zum ersten Mal sahensie, wie nur ein kleines Stück weiter die Ägypter in Massen den Kanal überquerten und in die Sinaihalbinsel hineinstürmten. Sie starrten auf diese Szene und konnten es nicht glauben. Ilan hatte ihr erzählt: Irgendwie hatten wir keine Angst. Es war, als sähen wir einen Film.
    Er und der Panzersoldat riefen etwas zu dem Soldaten, der sie vom Aussichtsturm am Eingang des Postens beobachtete, sie schwenkten ein weißes Unterhemd und baten, eingelassen zu werden, da wurde vom Posten eine kurze Salve auf sie abgefeuert, und sie wichen ein Stück zurück, warfen sich in den Sand, hoben im Liegen die Hände und schrien weiter. Das Tor ging einen Spalt breit auf, und ein entsetzt aussehender Offizier musterte sie mit auf sie gerichteter Uzi. Wer seid ihr? brüllte er, und Ilan und der andere schrien, sie seien Israelis. Der Offizier brüllte, keine Bewegung. Lass uns rein, bettelten sie, aber der hatte es nicht eilig. Von wo seid ihr? Sie sagten die Namen und Nummern ihrer Einheiten. Nein, woher im Land? Aus Jerusalem, sagten sie beide und schauten sich dabei überrascht an. Der Offizier überlegte, machte ihnen ein Zeichen, sich nicht von der Stelle zu rühren, und verschwand. Die Erde unter ihnen bebte. Hinter sich hörten sie die quietschenden Kettengeräusche ägyptischer Panzer. Wo hast du gelernt, zischte Ilan, ohne die Lippen zu bewegen. In Beuer sagte der, eine Stufe unter dir. Dann kennst du mich? fragte Ilan. Alle haben dich gekannt, grinste der Soldat, du warst immer mit diesem dicken Langhaarigen zusammen, der vom Baum gesprungen ist.
    Das Tor des Postens wurde geöffnet, der Offizier gab ihnen ein Zeichen, sich auf Knien mit erhobenen Händen langsam zu nähern.

    Rotäugige Geister umringten sie. Verdreckte Geister, völlig überzogen mit weißem Staub. Aus allen Ecken des Postens kamen sie und umringten die beiden, hörten schweigend zu, was sie unterwegs gesehen hatten. Der Kommandeur, müde, abgerissen und doppelt so alt wie Ilan, fragte ihn, was er überhaupt in dieser Gegend zu tun habe, und Ilan schaute ihm in die Augen und sagte, man habe ihn von Babel hergeschickt, um Geheimunterlagen und Ausrüstung aus Magma rauszuholen, und er fragte, wann er dorthin aufbrechen könne. Die um sie herumstehenden Soldaten guckten skeptisch. Der Kommandeur verzognur den Mund und verschwand mit dem Panzersoldaten. Ein dicker Reservist mit trübem Blick ging auf Ilan zu, pflanzte sich vor ihm auf und sagte langsam: Magma kannst du vergessen. Für die ist schon alles gelaufen, und selbst wenn da zufällig noch einer am Leben sein sollte – die Ägypter umzingeln sie von allen Seiten. Warum gehen wir dann nicht los, ihnen zu helfen? fragte Ilan fassungslos, warum beschießt die Luftwaffe die Ägypter nicht? Die Luftwaffe? fragten die Soldaten spöttisch. Die kannst du auch vergessen, sagte der dicke Reservist, vergiss am besten alles, was du über unsere Armee weißt. Die anderen brummten zustimmend. Du hättest die

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