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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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Schlagader, brummt und brüllt, und sie, hör nicht auf, hör nicht auf, er soll galoppieren und brüllen und sie mit seinen Lenden auf die Erde stoßen, er ist ganz eins und ganz mit ihr, keine andere Frau ist dabei, jetzt sind es nur er und sie, ein Mann und eine Frau, ganz in eigener Sache, so hatte er ihr früher gesagt: »Wir sind jetzt ein Mann und eine Frau, ganz in eigener Sache«, und diese merkwürdige, beinahe offizielle Formulierung stimulierte sie bis zum Wahnsinn, dieses Der-Welt-den-Rücken-Zuwenden, wie hatte er sie da auf einen Schlag von den quälenden Gedanken an Ilan befreit, ein Mann und eine Frau in eigener Sache, und auch jetzt gab es außerhalb ihrer Körper keine Welt.Keinen Atem außer ihrem Atem, keinen Ilan, keine Neta, keinen Ofer, keinen Ofer, keinen Ofer, doch, Ofer ist da, Ofer ist da, Ofer ist da, wenn Avram und Ora so zusammen sind, gibt es Ofer, es gibt Ofer und es wird ihn geben, lass Ofer jetzt mal los, gib ihm mal einen Augenblick frei.
    Langsam, wie in einem alten Keller aufbewahrt, in Einmachgläsern mit eingelegter Zeit, vergehen die Stunden. Sie schlafen ein, wachen auf, immer wieder. Legen Entfernungen zurück, durchqueren Ödland, Abwesenheiten, Kränkungen, Sehnsucht, Reue. Und wieder wird er langsamer, immer langsamer, genau in dem Moment, wo sie wollte, dass er aufhört, damit sie zusammen neue Kräfte sammeln; im Auge des Zyklons, ein stiller atmender Kreis, in den hüllen sie sich jetzt ein, und Avram ist ruhig, als wär er eingeschlafen, habe sich zurückgezogen, er zieht sich in ihr zusammen, und sie erinnert sich an sein tiefes, steiles Eintauchen, in diesem Moment ist er ein uraltes Meereswesen, ein zur Hälfte schon versteinerter Fisch, doch er dreht sich in ihr, taucht in die Tiefen, jetzt ist er da, jetzt wird er sich für einen Moment nicht bewegen, nur langsam pulsieren, er ruht zwischen den Seeanemonen ihres Fleisches, träumt in ihr, sie wartet, und er beginnt wieder, sich zu bewegen, langsam, langsam, und sie mit ihm, ihr Mund festgesaugt an seiner Schulter, ganz konzentriert, sie erinnert sich, so dick und schwerfällig, aber was für einen Tanz er da hinlegt, jetzt wird sein Geruch sich langsam ändern, sie lächelt, diesen Geruch hat nur Avram, und nur in diesen Augenblicken, er lässt sich in Worten nicht beschreiben, mit nichts vergleichen.
    Irgendwann, nicht jetzt, aber irgendwann mal, murmelt sie danach und spielt mit den Locken in seinem Nacken, wirst du über unsere Wanderung schreiben.
    Sie liegen nackt da, der Himmel wölbt sich über ihnen, der Wind streichelt sie mit sanften Pinselstrichen.
    Wie sehr hab ich gewollt, dass du mich ausfüllst.
    Die Hündin steht auf, geht auf sie zu, Ora fordert sie auf, näher zu kommen, um sie mit ihrer freien Hand zu streicheln, doch sie gibt sich nicht hin und schaut die beiden im Mondlicht rechteckigen Körper nicht direkt an. Wenn ihr Blick die beiden streift, fährt sie sich unzufrieden mit der Zunge über die Schnauze.
    Was? fragt Avram, erwacht schlafgesättigt, was hast du über die Wanderung gesagt?
    Ich kauf dir Blocks und Notizbücher, wie früher, was immer du brauchst, und dann schreibst du über uns.
    Er lacht verlegen. Seine Finger klopfen leicht und mahnend an ihren Hals.
    Über mich und über dich, sagt Ora ernst, über unsere Wanderung, über Ofer. Alles, was ich dir erzählt habe, sagt sie und nimmt seine rechte Hand und küsst nacheinander seine Fingerspitzen.
    Es kann ruhig ein oder zwei Jahre dauern, von mir aus zehn, wie lang es eben braucht. Ich dräng dich nicht.
    Avram denkt, es wäre ein großes Wunder, wenn er es je schaffen würde, etwas Komplizierteres als eine Bestellung im Restaurant aufzuschreiben.
    Du musst dich nur an alles erinnern, was ich dir erzähle, sagt Ora, wozu hast du diesen großen Kopf? Denn ich werde es vergessen, das weiß ich, aber du wirst dich an alles erinnern, an jedes Wort, und zum Schluß, sagt sie und lacht lautlos zu den Sternen, die ihr zuzwinkern, wird daraus ein Buch geboren werden.

    Weißt du, dass Ilan losgezogen ist und dich gesucht hat? murmelt sie an seiner Schulter.
    Wann?
    Damals.
    Als es vorbei war …
    Nein, als es anfing.
    Ich versteh nicht, was …
    Er ist bis zum Suezkanal …
    Kann nicht sein …
    Er ist aus Babel weg, ist einfach aus der Horchstation abgehauen.
    Unmöglich, Ora, was erzählst du da?
    Tatsachen.
    Sein Rücken verspannt sich unter ihrer Hand, sie spürt es und kann ihre Dummheit nicht fassen: Sie hatte doch nur vor Lust

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