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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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Kränkung auf ihrem Gesicht, komm, erzähl mir von dem Bogen.
    Ofer hatte ihr erklärt: Zuerst hab ich einen Bogen aus zwei gleichenHälften gemacht, die wollte ich mit diesem Rahmen hier verbinden, das sah gar nicht schlecht aus, und technisch hätte es funktioniert, hat mir aber nicht gefallen, es passte nicht zu dem Bett, das ich mir vorstelle. Sie verstand zwar nicht alle Einzelheiten, aber sie hörte ihm gerne zu, wenn er ihr seine Arbeit beschrieb. Deshalb mach ich den Bogen jetzt anders, aus einem Stück, und dann schneide ich Blätter aus Stahlblech und lass sie sich um ihn ranken, das wird bestimmt nicht einfach, aber so muss es sein, verstehst du?
    Ob sie das versteht?
    Er desinfizierte Wurmlöcher in den Baumstämmen, versiegelte sie mit Lack und schlug danach mit einem Stemmeisen im Neunzig-Grad-Winkel große Löcher bis zur Mitte jedes Stamms, um die Seitenbalken da reinzustecken, »das ist besonders resistentes Holz«, zitiert sie ihn, aber Ofer ist stark, er hat Arme wie du – sie beklopft Avrams Muskeln mit sichtbarem Genuss – allein an diesen Stämmen hat er ein paar Wochen gearbeitet und sich schließlich entschieden, von seinem Geld eine Kreissäge zu kaufen, alles hat er alleine gemacht, er war nicht bereit, sich irgendwie helfen zu lassen, nur dorthin fahren durfte ich ihn, und mit der Kreissäge hat er das Stahlblech geschnitten und, Moment noch – sie stoppt eine Frage, die in seinem Mund schon wartet –, auch die kleinen Blätter aus Stahlblech hat er selbst gemacht, um das Kopfende zu schmücken, einundzwanzig kleine gezackte Rosenblätter.
    Avram hört zu, die Augen konzentriert geschlossen, streichelt er, ohne es zu merken, seine Arme.
    Und jedes Blatt hat er einzeln entworfen, bis ins kleinste Detail, du würdest dich daran freuen, wie hübsch und zart die geworden sind, und auch das Holz selbst, der Bettrahmen ist zwar aus Massivholz, aber in so fließenden, wellenförmigen Linien – ihre Hände streichen darüber, runden sich, für einen Moment spürt sie in ihrer Handfläche Ofer selbst, groß und kräftig und zart, so ein Bett habe ich noch nie gesehen.
    Dieses Bett hatte etwas Lebendiges, denkt sie, sogar in seinen Eisenteilen war Bewegung.
    Und als er es fertig hatte, beschloss er, es uns zu geben.
    Wir haben lange mit ihm diskutiert, wollten das nicht, ein so besonderesBett, an dem du so viel gearbeitet hast, da sollst du schon selbst drin schlafen.
    Aber er ist hartnäckig, sagt Avram leise.
    Ich wusste nicht, was in ihn gefahren war. Vielleicht hat er es, als es fertig war, angeschaut und ist etwas erschrocken. Es war wirklich riesig.
    Sie schluckt eine Bemerkung runter, die ihr beinah rausgerutscht wäre, über das Bett und seine Größe und darüber, wie viele Leute da gut zusammen drin liegen könnten, und schüttelt den Staub von ihren Händen. Wieso hat sie ihm das plötzlich erzählt. Sie muss so schnell wie möglich wieder raus aus dieser Geschichte.
    Kurz, er sagte, wenn ich mal heirate, dann bau ich mir ein neues Bett, jetzt kauft ihr mir eins im Laden, das reicht. Das ist nur so eine kleine Geschichte, einfach damit du auch die kennst, komm, lass uns weitergehen.
    Sie stehen auf und gehen, umkreisen den Gipfel des Berges, meiden die Kirchen und das Kloster dort und steigen wieder hinunter, in Richtung des Beduinendorfes Schibli. Ein Bussard gleitet über ihnen am Himmel, in den Stacheln einer Mariendistel hängt die weiße Wolle eines Lämmchens. Die Hündin hört das Bellen der Hunde im Dorf und kommt wie zufällig etwas näher zu Ora, reibt sich an ihren Beinen, und Ora, die nicht einmal drei Minuten lang nachtragend sein kann, bückt sich beim Laufen und streichelt das goldene Fell. Sind wir jetzt wieder gut? Auf einmal hast du mir verziehen? Du führst dich ein bisschen wie eine Primadonna auf, hat dir das schon mal jemand gesagt?
    Und so streichelt und rügt sie sie abwechselnd, und der Schwanz der Hündin ist schon wieder aufgerichtet und wedelt fast einen Kreis, sie umtanzt sie wieder, und Ora denkt an die letzte Nacht und an die kommende Nacht und schaut auf Avram, der vor ihr hermarschiert, erst gestern hatte sie entdeckt, dass seine Augenbrauen nicht so weich und samtig waren wie in ihrer Erinnerung. Oder seine fleischigen Ohrläppchen: In der Familie hatte nur Ofer solche, über seine Jumbo-Ohrläppchen konnten Ilan und Adam sich kaputtlachen, und Ofer erlaubt niemandem, noch nicht einmal ihr, sie anzufassen, aber jetzt weiß sie, wie sie sich anfühlen.

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