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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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Und sie denkt, erst vor fünf Jahren habensie und Ilan das Bett eingeweiht. Sie erinnert sich, Ilan hatte Angst gehabt, das Bett würde knarren, wenn sie miteinander schliefen, und er war hinunter ins Wohnzimmer gegangen, hatte »jetzt« gerufen, und Ora war oben kreuz und quer auf dem Bett herumgehüpft und vor lauter Hüpfen und hysterischem Lachen fast ohnmächtig geworden (und unten war nicht das leiseste Geräusch zu hören).
    Er gefällt mir, sagt Avram plötzlich.
    Wie bitte?
    Avram zuckt mit den Schultern, sein Mund verzieht sich etwas überrascht, er ist so …
    Ja?
    Ich weiß nicht, er ist so – seine Hände zeichnen Ofer in der Luft, formen ihn aus etwas Lebendigem, wie aus Ton, dicht, kräftig und männlich erkneten sie ihn sich in einer vorgestellten Umarmung. Selbst wenn er ihr in diesem Moment gesagt hätte, dass er sie liebt, es hätte sie nicht so erregt.
    Obwohl er kein … beginnt sie und bereut es.
    Kein was?
    Obwohl er kein – weiß ich es denn? –, kein Künstler ist.
    Kein Künstler? Avram fragt erstaunt, was hat das eine mit dem andern zu tun?
    Unsinn, nur so. Warte, das hab ich dir auch noch nicht erzählt – Mensch, sie gerät in Wallung, jetzt hast du mich wirklich überrascht. Sie bleibt einen Moment stehen, legt sich seine Hand auf die Brust. Hier, fühl mal. Dass du gesagt hast, er würde dir gefallen, wo ich dir noch so vieles von ihm gar nicht erzählt habe.
    Er hat eine Quelle gerettet, sagt sie, lacht, wirft den Kopf nach hinten; warum nicht, ich geb ein bisschen mit ihm an.
    Avram reagiert sofort, fast ein bisschen beleidigt: Das nennst du angeben?
    Was ist es dann?
    Du erzählst mir von ihm.
    Ihre Schritte werden schneller, sie geht vor ihm her und streckt die Arme seitlich aus, bekommt kaum noch Luft. Hör zu, sagt sie, er und Adam haben eine Quelle gefunden, sie waren unterhalb von Har Adar unterwegs, nicht weit von Bejt Neqofa, und haben eine kleine Quelleentdeckt, die so mit Schlamm und Steinen zugeschüttet war, dass nur noch ein dünnes Rinnsal rauskam, und Ofer beschloss, sie wieder freizulegen. Ein Jahr lang ist er, wenn er Urlaub vom Militär hatte, dort hingegangen, hörst du, manchmal hat Adam ihn auch begleitet, ihn hat dieses Projekt nicht wirklich begeistert, aber er hatte Angst, Ofer da alleine hinzulassen, das ist ganz nah an der Grenze, und zusammen haben die beiden …
    Avram merkt, wie sich jedes Mal, wenn sie »die beiden« sagte, eine Wärme in ihm ausbreitet.
    Haben die beiden Steine und Felsbrocken weggeschafft, die das Fließen behinderten, sie haben Schlamm, angeschwemmtes Zeug und Wurzeln rausgeholt – Ora leuchtet, wenn sie redet, jeden Moment erfüllt Ofer sie mehr mit Leben, und jetzt ist ihr völlig klar, dass es gut ist, dass es gut sein wird, dass ihr verrückter Plan aufgehen kann –, und schließlich haben sie ein kleines Auffangbecken ausgehoben, etwa eineinhalb Meter tief, und auch wir waren ziemlich oft dabei, wir wollten nicht, dass sie da so viel allein sind, am Wochenende sind wir hingefahren, haben ihnen Essen gebracht, und Freunde von ihnen sind gekommen und auch Freunde von uns – ich muss dich mal dahin mitnehmen, da steht ein riesiger Maulbeerbaum über dem Bassin. Ofer war der Vorarbeiter, und wir alle haben für ihn gearbeitet.
    Aber woher wusste er, wie man so was macht?
    Zuerst hat er zu Hause ein kleines Modell gebaut, Ilan half ihm dabei – sie erinnert sich, was für ein Baufieber sie da gepackt hatte, überall lagen Skizzen und Berechnungen der Durchflussmenge, der Fließwinkel und des Volumens, und sie machten viele Versuche und Probeläufe und alles, was dazugehört …
    Was, fragt Avram, und er genießt seine Frage, was gehört denn dazu?
    Ein Becken bauen, sagt sie und erklärt ganz ernsthaft: Seitenwände gießen und verputzen, das geht in mehreren Stufen, man braucht dazu einen besonderen Putz, eineinhalb Tonnen Putz und Sand hat Ilan in seinem Auto dahin gefahren. Du musst verstehen, für Ofer war er bereit, sogar seinen Landrover aufs Spiel zu setzen. Danach hat er noch einen kleinen Obstgarten angepflanzt, wir haben ihm dabei geholfen und zusammen einen Pflaumen-, einen Zitronen-, einen Granatapfel-und einen Mandelbaum gepflanzt, und ein paar Olivenbäume, jetzt ist da eine richtige kleine Oase entstanden, und die Quelle lebt.
    Sie streckt sich, wandert leichtfüßig: Sie hat so viel zu erzählen.
    Schibli liegt schon hinter ihnen, die Markierungen führen sie auf verborgenen, wild bewachsenen und grün

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