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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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plötzlich zu einer Sache gerufen haben, für die wir überhaupt nicht ausgebildet sind, und dass wir bei uns in der Wohnung dort mehrere Familien in einem Zimmer festhalten mussten, mit einem Klo, mit Kindern und Alten und ihrem ganzen Geheul und Geschrei und ihren Beschwerden, schon allein davon wirst du verrückt im Kopf, und in derselben Zeit musst du noch die Straße und das Schussfeld beobachten und diesen Primadonnen von ScharfschützenFeuerschutz geben und aufpassen, dass die von der Hamas uns nicht inzwischen unten die Türen verminen, so ist das dann allen irgendwie durch die Lappen gegangen und keiner hat’s gemerkt, und Ora biss sich auf die Lippen und sagte mit der ganzen Beherrschung, derer sie fähig war, trotzdem, Dvir, ich versteh nicht, wie eure Leute – da schrie Ofer: Mama! Sein Schrei war wie ein Messerschnitt; den Rest des Weges schwiegen sie, und als sie zum Stab kamen, verbot ihr Ofer, auf ihn zu warten, um die Ergebnisse der Vernehmung zu hören, wie es ausgemacht gewesen war. Du fährst jetzt nach Hause, befahl er ihr, und Ora schaute ihn flehend an, ihr kräftiges Kind mit dem kahlen Schädel und dem klaren Blick; ihr kamen die Tränen, und wieder wäre die Frage fast aus ihr herausgeplatzt. Ofer sagte mit eiskalter Ruhe, Mama, hör mir gut zu, ich sag das jetzt zum letzten Mal: Hör auf! Lass es! Seine Augen waren graues Metall, seine Lippen ein Eisendraht, sein rasierter Schädel eine Kugel aus kaltem Feuer, Ora zuckte zurück, vor seiner Stärke, vor seiner Härte, noch mehr vor seiner Fremdheit, und er wandte sich um und ging, ließ sich noch nichtmal einen Kuss geben. So fuhr sie alleine zurück, wahnsinnig vor Schmerz, sie sah kaum die Straße, und zu allem Überfluss begann es auch noch zu regnen, ein staubiger Regen, ausgerechnet jetzt, wo ein Scheibenwischer ihres Fiat Punto nicht funktionierte, und dann rief auch noch Ilan an, und sie war nicht in der Lage, mehr als zwei Sätze mit ihm zu reden, ohne diese Frage hinauszuschreien, und natürlich riss auch ihm die Geduld, es war sowieso ein Wunder, dass er es so lange ausgehalten hatte, und er sagte ihr unumwunden, er habe allmählich genug von ihrer Scheinheiligkeit und Heuchelei, sie müsse endlich kapieren, dass Ofer seine Mutter jetzt brauche, dass er jetzt ihrer vollen Unterstützung bedürfe, und Ora brüllte, Unterstützung wofür, Unterstützung wobei, und im Grunde wollte sie schreien, Unterstützung für wen?, denn sie war sich wirklich nicht mehr sicher, und Ilans Stimme wurde für einen Moment etwas weicher, als er sagte, Unterstützung für deinen Sohn, hör zu, du bist doch seine Mutter, ja? du bist die einzige Mutter, die er hat, er braucht dich jetzt ohne Wenn und Aber, verstehst du? Du bist seine Mutter und nicht eine von diesen Women against the occupation an den Checkpoints, ja? Ora konnte es nicht fassen und schwieg, wieso kam er plötzlich damit? Was hatte sie mit diesen Frauen zu schaffen, sie gehörtenicht zu denen, hatte auch keinerlei Sympathie für sie, deren provokatives Auftreten sie nervte, deren ganzer Ansatz dermaßen unfair war, einfach anzukommen und die Soldaten bei der Arbeit zu stören, denn was können die Soldaten dafür, dass man sie für drei Jahre zu so einem Checkpoint beordert? Stattdessen sollten sie lieber vor dem Hauptquartier der Armee in Tel Aviv demonstrieren oder ihre Parolen vor der Knesset schreien, immer kam sie sich ihnen gegenüber unterlegen vor, angesichts dieser übertriebenen angelsächsischen Selbstsicherheit, die sie an den Tag legten, ohne jeglichen Respekt, wenn sie an den Checkpoints den Offizieren gegenüberstanden oder im Fernsehen den höchsten Befehlshabern der Armee. Wenn sie diesen Respekt schon nicht empfinden, dachte sie, sollten sie wenigstens ein klein bisschen Dankbarkeit zeigen gegenüber denen, die die Drecksarbeit machen und für uns die ganze Scheiße der Besatzung auslöffeln, um dennoch unsere Sicherheit zu garantieren. Während sie noch verstört in sich selbst hin und her irrte, redete Ilan weiter sanft auf sie ein, es war eine dumme Panne, ja, das ist wirklich ganz furchtbar, das seh ich genau wie du, aber Ofer ist nicht schuld daran, krieg das doch endlich in deinen Kopf rein, in dem Gebäude saßen zwanzig Soldaten, und drum herum noch zwanzig weitere, du kannst nicht einfach ihm die ganze Sache anhängen, er war dort nicht der Kompaniechef, er ist noch nicht mal Offizier, warum, glaubst du, muss er heiliger als alle anderen sein? Du hast ja

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