Eine Frau flieht vor einer Nachricht
zu verzichten, drei Jahre lang habe er die Scheiße mit Kettenfett reingeschoben, um genau bei so einer Aktion mitzumachen, drei Jahre lang habe er an diesen Scheißstraßensperren gestanden, Patrouillen gefahren, habe sich in palästinensischen Dörfern und jüdischen Siedlungen von den jeweiligen Kindern mit Steinen beschmeißen lassen, ganz zu schweigen davon, dass er schon ein halbes Jahr keinen Panzer mehr von innen gerochen habe – da soll er jetzt nicht mitmachen dürfen, er, der immer Pech hat und das Beste verpasst, so einen Bombeneinsatz, drei Panzerbrigaden gemeinsam, hatte er geschrien, mit Tränen in den Augen, für einen Moment hätte man denken können, er streite mit ihr darum, dass er spät von einer Klassenparty heimkommen darf – und wie sollte er bitte zu Hause sitzen oder in Galiläa wandern gehen können, wenn alle seine Freunde dort waren. Da war ihr klar geworden, dass er aus eigenem Antrieb die Armee überredet hatte, ihn als Freiwilligen für weitere achtundzwanzig Tage einzuziehen.
Ach so, hatte sie gesagt, als er seine Rede beendet hatte, ein hohles, beinah ersticktes Ach so, und hatte sich gedacht: »Und ich schleppte meinen Kadaver in die Küche.« Das war ein Ausdruck von Ilan, ihrem Ex, mit dem sie ihr Leben geteilt hatte und mit dem sie es in den guten Jahren – denn auch die hatte es gegeben – manchmal auch verdoppelt hatte. Die Fülle des Lebens, hatte der Ilan von damals gesagt und war aus Dankbarkeit ihr gegenüber errötet, in zurückhaltender und verschämter Leidenschaft, die Ora mit ihrer Welle von Liebe zu ihm ausgelöst hatte – immer hatte sie das Gefühl gehabt, er staunte in den Tiefen seiner Seele darüber, dass ihm dies überhaupt zuteil wurde, diese Fülle des Lebens. Sie erinnerte sich, die Kinder waren noch klein gewesen, damals wohnten sie in Zur Hadassa, in dem Haus, das sie Avram abgekauft hatten, und sie hängten gerne nachts zusammen die Wäsche auf, als letzte Hausarbeit am Ende eines langen, erschöpfenden Tages. Zusammen hatten sie den großen Wäschekorb in den Garten getragen, gegenüber den dunklen Feldern und dem Wadi, gegenüber dem arabischen Dorf Chussan. Der große Feigenbaum und die Silbereiche rauschten in der Stille, sie hatten ihr eigenes geheimnisvolles, reiches Leben, und die Wäscheleinen füllten sich mit Dutzenden winziger Kleidungsstücke, wie eine Miniatur-Keilschrift, winzige Söckchen, Hemdchen, Stoffschühchen, Trägerhosen und bunte Oshkosh-Overalls. Ob jemand aus Chussan noch bei Licht ins Wadi gegangen war und sie jetzt beobachtete oder eine Waffe auf sie richtete? hatte Ora sich manchmal gefragt, und etwas in der Mitte ihres Rückens hatte sich dabei gesträubt, und sie hatte sich auch gefragt, ob es so etwas wie eine allgemeine Unverwundbarkeit von Menschen, die Wäsche aufhängen, gab, vor allem solche Wäsche?
Ihre Gedanken sprangen hin und her, sie erinnerte sich, wie Ofer ihr und Ilan seinen neuen Panzer-Overall vorgeführt hatte; da hatten sie das Haus in Zur Hadassa bereits verkauft und waren nach Ejn Karem gezogen. Ofer kam aus seinem Zimmer zu ihnen heraus, ganz eingepackt in den feuerfesten großen Overall, hüpfte in kleinen wackelnden Sprüngen auf sie zu, hob die Arme zu den Seiten und lachte hinreißend süß: »Mama, Papa! Teletubbies!« – Und Ilan, zwanzig Jahre vorher, nachts im Garten, war plötzlich mitten beim Aufhängen der Kinderwäsche zwischen den vollbehängten Wäscheleinen hindurchgekommenund hatte sie umarmt, und sie wankten zusammen, verhedderten sich in der feuchten Wäsche, lachten leise, gurrten ihre Liebe, und Ilan flüsterte ihr ins Ohr, nicht wahr Orinka, nicht wahr, die Fülle des Lebens? Und sie umarmte ihn mit aller Kraft, mit einem salzigen Glück im Hals und spürte, dass sie für einen flüchtigen Moment im Vorüberziehen etwas begriff: das Geheimnis dieser üppigen Jahre und die Wucht ihres Dahinfließens, den Segen in ihrem Körper und in seinem Körper, in ihren beiden kleinen Jungen und in dem Zuhause, das sie sich eingerichtet hatten, und in ihrer Liebe, die sich nach Jahren des Irrens und Zögerns und nach dem Schlag von Avrams Unglück nun endlich aufrichtete und auf eigenen Beinen stand.
Ofer hatte in seinem Zimmer fertig gepackt, und sie stand bewegungslos für einen langen Augenblick in der Küche und dachte, auch hier hatte Ilan sie spielend besiegt: Den Ausflug mit Ofer wird sie nicht machen, noch nicht einmal eine Woche wird sie mit ihm zusammen haben. Ofer merkte wohl,
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