Eine Frau flieht vor einer Nachricht
den Soldaten, die auf den Einsatz gehen, auch die Soldaten vom Standortkommando einzog, alles ist so genau orchestriert – ein hohes, unnatürliches Kichern entfährt ihr –, und plötzlich schaut Ada sie wieder an, ihre Augen sind jetzt sehr groß, als betrachte sie sie ununterbrochen, um zu sehen, wie sie sich benimmt, und Ora merkt, dass sie schon eine Weile auf den unteren, den halb durchsichtigen Teil der Eingangstür starrt, da ist ein Problem, das gelöst werden muss, doch was das Problem ist, ist ihr nicht klar, und sie eilt zu den Töpfen auf dem Feuer, rührt um, würzt großzügig, er mag es scharf, sie hält ihr Gesicht in die Dämpfe, in den dicken Atem der Töpfe, nur probieren tut sie nicht, sie hat heut Abend keinen Appetit, wenn sie nur einen Krümel in den Mund steckt, müsste sie spucken, und für einen Augenblick betrachtet sie ihre Hand, die wild über dem Topf kreist, Paprika regnen lässt. Es gibt Bewegungen, wenn sie die machte, klingelte sofort das Telefon. Diese merkwürdige Gesetzmäßigkeit hat sie schon vor einer Weile entdeckt: Wenn sie zum Beispiel würzt oder nach dem Spülen einen Topf oder eine Pfanne abtrocknet, dann klingelt fast immer das Telefon. Etwas an dieser Kreisbewegung scheint es aufzuwecken. Und interessanterweise auch, wenn sie Wasser für die Blumen in den schmalen Glaskrug füllt. Aber nur in diesen! Sie lächelt liebevoll über die Spleens ihres Telefons und schüttet den Topf Reis mit Rosinen und Pinienkernen in den Mülleimer, wäscht den Topf gründlich und trocknet ihn lange mit den verführerischen Bewegungen ab, doch nichts passiert. Das Telefon ist tot (nein, es schweigt). Ofer ist dort sicher vollauf beschäftigt. Es werden noch ein paar Stunden vergehen, bis da überhaupt irgendetwas losgeht, und vielleicht rücken sie auch erst morgen oder übermorgen aus. Und als sein Panzer getroffen – summt sie – von zwei Raketen schon brennt/ da steht er in loderndem Feuer, und bricht sofort ab. Es wär schon gut, denkt sie, wenn sie für morgen eine Beschäftigung finden könnte. Dummerweise hat sie gerade am nächsten Tag nicht viel zu tun. Morgen hätte sie mit ihrem Sohn in Galiläa über Stock und Stein wandern sollen, aber es war etwas dazwischengekommen.Vielleicht sollte sie doch in der neuen Praxis anrufen und vorschlagen, sofort anzufangen, auch auf freiwilliger Basis, sogar Büroarbeiten würde sie übernehmen. Dann sollen sie es eben als Eingewöhnungsphase deklarieren. Aber sie hatten ihr schon zweimal deutlich erklärt, dass man sie vor Mitte Mai nicht brauche: Die festangestellte Physiotherapeutin habe nicht vor, ihr Kind früher zur Welt zu bringen. Ein neuer Mensch kommt auf die Welt, denkt Ora und schluckt bitter. Es war dumm von ihr gewesen, bis Mai keine Pläne zu machen, alles hatte sie in die Planung des Ausflugs mit Ofer gesteckt und sonst an gar nichts mehr gedacht, so ein Unsinn, aber sie hatte das Gefühl gehabt, dort in Galiläa werde der Wendepunkt kommen, dort werde ihrer beider wirkliche und umfassende Gesundung beginnen. Ach, sie und ihre Gefühle.
Sie schüttet die Auberginen in Tomatensoße in den Mülleimer, kratzt die Pfanne aus, trocknet sie hingebungsvoll ab und schielt zu dem treulosen Telefon hinüber. Was jetzt? Wo war ich noch? Die Tür. Der untere Teil der Tür. Vier kurze Gitterstangen und eine matte, halb durchsichtige Glasscheibe. Aus dem Drucker des Computers nimmt sie drei A4-Blätter und klebt sie auf das Glas. So wird sie nicht einmal ihre Militärstiefel sehen. Was jetzt? Der Kühlschrank ist fast leer. In der Speisekammer findet sie ein paar Kartoffeln und Zwiebeln. Vielleicht noch eine kleine schnelle Suppe? Morgen früh wird sie einkaufen, damit der Kühlschrank wieder voll ist. Mittendrin können sie kommen, wenn sie gerade mittendrin ist, denkt sie, zum Beispiel beim Auspacken, wenn sie die Einkäufe in den Kühlschrank räumt. Oder wenn sie Fernsehen guckt, wenn sie schläft, wenn sie auf dem Klo ist oder das Gemüse für die Suppe putzt.
Ihr Atem stockt einen Augenblick, und sofort springt sie auf, schaltet das Radio an, wie man ein Fenster aufreißt. Stimme der Musik , sie hört kurz hin, mittelalterliche Musik, nein, sie braucht Reden, menschliche Stimmen. Bei einer lokalen Radiostation interviewt ein junger Reporter eine ältere Frau mit deutlich orientalischem Jerusalemer Akzent, und Ora hört auf, das Gemüse zu quälen, lehnt sich an die gesprungene marmorne Arbeitsplatte, wischt sich mit dem
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