Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Fernbedienung des Fernsehers genommen, ihn mit einer leichten Decke zugedeckt, sich hingesetzt und seinen Schlaf beobachtet hatte: seine wie vom Hauch eines ironischen Lächelns leicht geöffneten vollen Lippen, als wüsste er, dass sie ihn anschaute. Die gewölbte Stirn über seinen Augen verlieh ihm auch im Schlaf einen ernsten und etwas steifen Ausdruck, und sein großes, offenes Gesicht, zusammen mit dem sonnengebräunten, bis auf die Stoppeln rasierten Schädel, wirkte auf sie mehr denn je stark und fürs Leben bereit. Ein Mann, staunte sie, ein fertiger Mann. Alles an ihm wirkte möglich und offen und nach vorn drängend, es war, als werfe die Zukunft ihr Licht auf dieses Gesicht, von innen und von außen. Doch dann plötzlich dieser Einsatz, völlig überflüssig für mich, seufzte Ora, als sie am Morgen darauf in der Küche stand und sich einen besonders giftigen Kaffee kochte. Hätte sie gekonnt, sie wäre zurück ins Bett und hätte geschlafen, bis alles vorbei sein würde. Wie lang konnte so ein Einsatz schon dauern, eine Woche? zwei Wochen? ein ganzes Leben? Aber selbst um ins Bett zurückzugehen, fehlte ihr die Kraft, plötzlich konnte sie nicht mal mehr einen Schritt tun, mit jedem weiteren Moment wurde alles endgültig, unausweichlich, ihr Körper wusste es schon, ihr Bauch, ihre Därme wurden flau.
Um halb acht abends steht sie in der Küche und kocht. In T-Shirt und Jeans und zu allem Überfluss auch mit der geblümten Küchenschürze, dem Wahrzeichen der echten Hausfrau, schwitzend und enthusiastisch: die Köchin. Töpfe und Pfannen tanzen, brodeln auf dem Herd, Dämpfe kringeln sich unter der Decke, verdicken sich zu einer Duftwolke, und plötzlich weiß Ora, alles wird gut ausgehen.
Entsprechend dem Gegner, der ihr gegenübersteht, führt sie ihresiegreiche Kombination ins Feld: Hühnerbruststreifen mit Gemüse auf chinesische Art von Ariela, persischer Reis mit Rosinen und Pinienkernen von Arielas Schwiegermutter, süße Auberginen mit Knoblauchraspeln und Tomatensaft, ein Rezept ihrer Mutter, das sie verfeinert hat, eine Pilzquiche, eine Zwiebelquiche, hätte sie in diesem Haus einen normalen Backofen, sie könnte mindestens noch eine Quiche schaffen, aber auch so wird Ofer sich die Finger lecken. Sie läuft unerwartet jubelnd zwischen Backofen und Herd hin und her, es ist das erste Mal, seit Ilan gegangen ist, seit sie ihr Haus in Ejn Karem abgeschlossen und sich auf getrennte angemietete Häuser verteilt haben, dass sie sich in einer Küche wieder wohl und zu Hause fühlt und mit dem Gedanken an Küche allgemein und mit dieser alten, nicht mehr sauber zu kriegenden Küche im Besonderen wieder etwas anfangen kann, mit dieser Küche, die sich ihr jetzt gleichsam zögernd nähert und feuchte Nasen von Rührlöffeln und Schöpflöffeln an sie drückt. Auf dem Tisch hinter ihr stehen bereits mit Klarsichtfolie abgedeckte Schüsseln mit Auberginensalat, Krautsalat und einem einfachen großen Salat aus frischem Gemüse – auch Apfel- und Mangostückchen hat sie hineingeschmuggelt, mal sehn, ob er sie entdeckt – und noch eine Schüssel mit ihrer privaten Version von Taboulé, wofür Ofer sterben würde, das heißt, den er wahnsinnig mochte, korrigiert sie sofort fürs Protokoll.
Dann kommt der Moment, wo alles auf den Weg gebracht ist, leise vor sich hin köchelt, im Ofen gart, in der Pfanne gluckst, jetzt brauchen die Gerichte sie nicht mehr, aber sie muss noch weiterkochen, Ofer wird schließlich eines Tages zurückkommen, und dann möchte er frisches Essen, und ihre Finger bewegen sich rastlos in der Luft. Wo war ich gleich? Sie schnappt sich ein Messer und einige Gemüse, die den ersten Salatangriff überlebt haben, macht sich über sie her und summt schnell Mit rasselnden Ketten/ rollen die Panzer/ hinaus durch das große Tor – und hält sich die Hand vor den Mund, aus welcher Rumpelkammer war ihr denn ausgerechnet dieses Lied jetzt zugefallen, und vielleicht sollte sie jetzt auch das Steak schon vorbereiten, das er so mochte, in Rotwein, für den Fall, dass sie ihn bereits heute Abend gehn ließen. Ob die, die mit der Nachricht kommen, überlegt sie, jetzt in irgendeinem Büro des Standortkommandanten von Jerusalem ihreInstruktionen erhalten oder die alten auffrischen, aber was gibt es da aufzufrischen. Wann hätten sie überhaupt Zeit gehabt, etwas zu vergessen, wann gab es hier einen Tag ohne eine Benachrichtigung an irgendeine Familie. Ein merkwürdiger Gedanke, dass man zusammen mit
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