Eine Frau für Caracas
Brüderchen hat eine Art, zu scherzen, die mir schon manchmal auf die Nerven gegangen ist. — Und du hast ihn neben Christines Zimmer einquartiert!«
»Dyrenhoff, ich bitte dich!« sagte Gerda beschwörend, »male den Teufel nicht an die Wand! — Wo hätte ich Werner sonst unterbringen sollen?«
»Mach dir keine Sorgen, Liebling«, sagte er und tätschelte zärtlich und beruhigend ihre Schulter, »auf unsere Christine können wir uns verlassen.«
Wenn Gerda Dyrenhoff sich einbildete, ihre Töchter wären, nachdem sie das Zimmer verlassen hatten, sogleich zu Bett gegangen und schliefen längst, so täuschte sie sich, zum mindesten in Karin. Der Knabe Bernd kam in seinem Nachtgebet gewöhnlich nur bis zu der Stelle »schließe meine Augen zu«. Der Rest war nur noch undeutliches Gemurmel, das in einem schlaftrunkenen Seufzer endete. Die Mädels tuschelten noch ein Weilchen miteinander, bis auch Birgit einschlief. Dann erhob sich Karin lautlos von ihrem Lager und schlüpfte aus dem Töchterzimmer, das links neben Christines Schlafraum lag. Sie huschte im Schlafanzug zur Tür und beugte sich zum Schlüsselloch herab. Wie fast immer um diese Zeit brannte bei Christine noch die Nachttischlampe.
Karin kratzte an der Tür: »Darf ich ‘reinkommen, Christine?«
Ohne die Antwort abzuwarten, drückte sie auf die Klinke, aber zum erstenmal war die Tür abgeschlossen und Karin mußte warten, bis Christine ihr öffnete.
»Warum hast du die Tür abgeschlossen?« fragte Karin erstaunt.
»Ach, nur so... «, murmelte Christine und errötete. Sie schlüpfte in ihr Bett zurück und hielt die Steppdecke für Karin offen. »Komm schon«, flüsterte sie und rückte zur Wand.
Ein Buch lag aufgeschlagen auf dem Nachttisch, eine Nagelfeile stak als Buchzeichen zwischen den Blättern.
»Was liest du da?«
»Einen Roman...«
»Eine Liebesgeschichte?« fragte Karin interessiert.
»Eine Liebesgeschichte kommt auch darin vor, aber eigentlich ist es mehr ein Arztroman; die Geschichte von einem Studenten, der noch gar nicht Arzt ist und trotzdem schon in einem Krankenhaus die schwierigsten Operationen macht. Ich bin gespannt, wie es ausgehen wird...«
»Kriege ich ihn, wenn du damit fertig bist?«
»Ja, ich glaube, diesen Roman kannst du auch lesen.«
Es war für Karin der Höhepunkt des Tages, sich bei Christine ins Bett kuscheln zu dürfen und sich mit ihr flüsternd über alles mögliche zu unterhalten, über die Schule, über Romane und Filme, über Ereignisse in der Nachbarschaft, über das Leben und über die Liebe. Christine hatte vor vier Wochen ihren Freund abserviert. Herr Emil Schattke , von Beruf Elektroingenieur und Besitzer eines kleinen Sportwagens, war plötzlich von ihr abgehalftert worden, weil er >frech< geworden war.
»Wie war er frech, Christine?«
»Eben frech...«
»Wollte er dich küssen?«
»Hm...«, antwortete Christine etwas unbestimmt, »ja, so ungefähr...«
»Und da hast du ihm einfach eine geklebt?« fragte Karin kopfschüttelnd. Da schien doch noch ein anderes Geheimnis dahinter zu stecken, aber Christine ließ es sich nicht herauskitzeln.
»Und was ich ihm für eine geschmiert habe!« sagte Christine grimmig, aber sie hatte keine Neigung, das Thema fortzusetzen.
Karin ließ sich auf das Kopfkissen zurücksinken.
»Onkel Werner hat Tante Anita zur Bahn begleitet«, sagte sie. »Ob er sie auch zu küssen versucht?«
»Du spinnst ja«, sagte Christine, »am ersten Abend! Und überhaupt...«
»Ob er sie heiraten wird...?«
»Jetzt möchte ich wirklich wissen, wie du auf diesen Schmarrn kommst!« flüsterte Christine ungeduldig.
»Ich habe doch gehört, wie die Mutti mit Onkel Werner über sie gesprochen hat. Vor dem Abendessen, als sie in Vatis Zimmer saßen.«
»Und was sagte er?«
»Daß er sie sehr schön findet...«
»Das ist sie. Aber deshalb braucht er sie doch nicht gleich zu heiraten. Und außerdem ist sie geschieden. Mit so etwas würde ich mich nicht behängen...«
»Sie war aber schuldlos!«
»Sagte sie! Aber weiß man es so genau? Ich glaube nie recht daran, wenn ich so etwas höre. Schuldlos... Wenn ein Mann zu saufen anfängt, dann steckt meistens etwas dahinter, woran die Frau auch nicht ganz unschuldig ist. Und überhaupt heißt es: wenn zwei heiraten, dann sollen sie zusammenhalten in guten und in schlechten Tagen. Na, hat sie zu ihrem Mann gehalten in den schlechten Tagen, deine Tante Anita?«
»Ach, das sagst du bloß, weil du sie nie recht hast leiden können.
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