Eine Frau für Caracas
Und das ist der Grund dafür, daß ich hier ein paar Wochen lang wie der reiche Jüngling aus dem Märchen auf treten kann.«
Im Nebenzimmer deckte Christine den Tisch, und Anita Eyssing half ihr, die Bestecke auszulegen.
»Was wollen Sie trinken?« rief sie zu Werner hinüber.
»Ich nehme zur Feier des Tages eine Flasche Bier«, sagte Dyrenhoff, »und du, Werner?«
»Ich auch!«
»Mich haben die Herren Doktores ja ins Trockendock gelegt«, knurrte Dyrenhoff und trommelte mit den Fingerspitzen einen kurzen Wirbel auf die linken Rippen, »aber für dich habe ich natürlich eine anständige Flasche Cognac mitgebracht...«
»Und ich dir eine Flasche Whisky«, sagte Werner mit einer bedauernden Geste.
»Mir juckt die Gurgel danach, aber ich darf nicht kratzen.«
Die Kinder drängten sich durch die Tür. Alle drei sahen aus, als wären sie gerade abgeschrubbt worden. Berndis Scheitel war mit Wasser so stramm an den Schädel gebürstet, daß die strohblonden Haare wie eine Perücke aus Flachs wirkten. Sogar die Hörnchen waren gebändigt.
»Du, Pappi, der Onkel Werner hat mir einen echten Indianerbogen und zehn Pfeile mitgebracht!«
»Um Gottes willen, Werner! Der Bengel wird damit nur Unheil anrichten.«
Gerda bat zu Tisch und verteilte die Plätze. Werner bekam seinen Stuhl zwischen Anita Eyssing und Karin, die den Pferdeschwanz aufgelöst hatte und das blonde Haar in einer langen Welle über die rechte Schulter fallen ließ. Sie hatte ihren Sonntagsstaat angelegt, ein geblümtes Kleidchen, dessen Glockenrock ein raschelnder Petticoat bauschte. Sie wehrte ab, als Gerda ihr den zweiten Löffel Reis vorlegen wollte, und führte die Gabel mit gezierten Bewegungen zum Munde.
»Nanu? Du bist doch sonst nicht so zurückhaltend...«
»Ich muß auf meine Figur achten«, erklärte Karin.
»So eine spinnete Krampfhenne!« kicherte der Knabe Bernd und pickte die Reiskörnchen vom Tisch, die ihm bei der für ihn so verhängnisvollen Verbindung von Zahn- und Lippenlauten aus dem Mund gesprungen waren.
»Man spricht nicht beim Essen, Berndi !« mahnte Gerda.
»Und vor allem nicht«, fügte Karin angeekelt hinzu, »wenn man keine Zähne hat!«
»Ruhe im Schiff!« knurrte Dyrenhoff, der gerade dabei war, das Bier einzuschenken. Werner hob das Glas, um seinem Schwager zuzutrinken.
»Prösterchen, Lothar! Ich freue mich, mal wieder im warmen Schoß der Familie zu sitzen.«
»Ein Jammer, daß die Eltern das nicht mehr erleben durften!« seufzte Gerda. »Mama hat ja nie an dir gezweifelt, Wemerchen . Nur Vater machte sich um dich Sorgen. Bis zuletzt...«
»Ist es wahr, Onkel Werner, daß du Millionär bist?« fragte Birgit erwartungsvoll.
»Hast du etwa daran gezweifelt?«
»Ich nicht, aber Christine. Christine hat gesagt, wenn einer ein Millionär ist, dann kommt er nicht wie ein Handwerksbursch mit einem Koffer daher, wo gerade zwei schmutzige Hemden drin sind.«
Christine saß wie mit Blut übergossen zwischen den Kindern.
»Willst du wohl deinen vorlauten Schnabel halten!« fuhr Gerda ihre jüngste Tochter an.
Anita Eyssing kämpfte mit einem Hustenanfall, und auch Werner hatte Mühe, den Schluck Bier, den er gerade im Munde hatte, bei sich zu behalten.
Nach dem Essen wechselten sie in die gemütliche Ecke des Herrenzimmers hinüber. Die Kinder wurden trotz ihres Protestes zu Bett geschickt, denn morgens, wenn es zur Schule ging, waren sie nicht wach zu bekommen. Dyrenhoff stellte eine der Flaschen, die er aus der Stadt mitgebracht hatte, auf den Tisch, und Christine brachte auf einem Tablett vier Schwenkgläser herbei.
»Und heute verlöte ich einen!« sagte Dyrenhoff. Es klang wie eine wilde Drohung.
»Es wäre wichtiger, wenn du dir die Zigarren abgewöhnen würdest, Dickerchen!«
»Was soll man sich nicht alles abgewöhnen! Die Zigarren, das Bier, den Schnaps, das Essen, zum Schluß werden die Kerle einem noch das Atmen verbieten. Jetzt behaupten sie schon, daß Butter das reine Gift sei. Cholesterine ! Wo hat man früher ein Wort davon gehört? Lauter Blödsinn...«
Es schien ein Thema zu sein, das weder Gerda noch Anita Eyssing neu war.
»Erzähl uns endlich etwas von drüben, Werner«, bat Gerda, »wie du lebst und was du tust und wie das Land aussieht. Deine Briefe... Na, Schwamm darüber!«
»Politisch ‘ne ziemlich ungemütliche Ecke, wie?« meinte Dyrenhoff und versuchte, seine Zigarre in Brand zu bringen.
»Ich kümmere mich nicht um die Politik. Ich baue. Und ob das unter Diktatoren,
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