Eine Frau für Caracas
nicht aufhören kannst! Daß du an deinen Lügen nicht erstickst!
So fing es an und so ging es weiter, bis zur Weißglut, bis zur Raserei, bis eine Vase oder eine Karaffe an die Wand flog und ich zu hören bekam, nun sei der Säuferwahnsinn bei mir endgültig ausgebrochen. Immer war es das gleiche. Nur der Haß wuchs. Ein wilder Haß , der sich bis zur Mordlust steigerte. Es mag wie Irrsinn klingen, aber wenn ich nach solchen Szenen die Kaffeetasse an den Mund setzte und in dem Aroma irgendeinen fremden Geruch witterte oder wahrzunehmen glaubte, schüttete ich den Kaffee ins Waschbecken. Wenn auf irgendeiner Speise ein Salzkorn sich nicht gelöst hatte, oder wenn auf den Speisen, die im Eisschrank standen, das Salz feinkörniger aussah als sonst, der Senf eine hellere Farbe hatte oder der Pfeifer dunkler war als gewöhnlich, rührte ich das Essen nicht an, aus Furcht, sie hätte es vergiftet. Es war höllisch. Bei Gott, es war ein Höllenleben, das wir miteinander führten.
An jenem Abend kamen wir mit Verspätung in Grünwald an. Am liebsten wäre ich dem Rummel ferngeblieben. Aber es ging nicht an. Schließlich mußte ich meine Chance wahren, eine neue Rolle zu ergattern, weiter im Geschäft zu bleiben, die Stimmung zu sondieren, mit ein paar Leuten zu sprechen, die mir noch gut gesinnt waren und mir weiterhelfen wollten. Die Stimmung war auf dem Gefrierpunkt. Der Film, eine elende Schnulze, war in München mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Die Kritiker hatten das Kino bereits nach einer Viertelstunde verlassen. Und beim Auftritt der Hauptdarsteller hatte sich keine einzige Hand gerührt. Die Schauspielerin, die im Vorspann an erster Stelle stand, bekam hinter der Bühne einen Nervenzusammenbruch, und ihr Partner war nahe daran, dem Regisseur gegenüber handgreiflich zu werden. Der Produktionschef weinte vor sich hin, und der Pleitegeier schwebte mit rauschendem Flügelschlag über seinem kahlen Schädel. Um so heftiger wurde gezecht. Hatte der Teufel die Kuh geholt, nun, so sollte er auch noch das Kalb bekommen! Und in dieser Pleitestimmung, die sie nicht bemerkte oder nicht bemerken wollte, machte sie sich an alle möglichen Leute heran und versuchte sie wieder einmal zu bezirzen, bis sie der Aufnahmeleiter, ein Bulle, der für seine Grobheit bekannt war, brutal anschnauzte, sie solle endlich aufhören, ihn mit >ihrem versoffenen James Severin< anzuöden!
Ich bekam das nicht mit. Ich hatte mich von der Gesellschaft längst abgesondert, denn der Aufnahmeleiter hatte mir sozusagen bereits zur Begrüßung erklärt, in diesem miserablen Streifen sei mein Auftritt der miserabelste, so unter aller Kanone und unter der gesengten Sau, daß er es nicht verstehen könne, wie ich die Dreistigkeit besäße, ihm mit Wünschen nach neuen Rollen zu kommen und mich überhaupt Schauspieler zu nennen. Ich war übrigens nicht der einzige, auf den er seine schlechte Laune ablud. Zwei Kollegen hatten genau das gleiche wie ich zu hören bekommen und gesellten sich wutgeladen zu mir in ein Nebenzimmer, wohin ich mich verdrückt hatte. Die voraufgegangene häusliche Szene, nichts im Magen, der kalte Abguß hier, der Anblick des Pelzes, von dem ich nicht wußte, wie ich ihn je bezahlen sollte, alles kam zusammen, um den Alkohol bei mir in einer Weise wirken zu lassen, daß ich einfach umkippte und in den Wagen geschleppt werden mußte.
Im Prozeß bezeugten der Hausdiener und ein junger Kollege, der inzwischen zu Starruhm gekommen ist, sie hätten mich in der Meinung, ich werde meinen Rausch im Wagen ausschlafen, auf den Steuersitz gesetzt. Und ein Dutzend Leute gab vor Gericht die Erklärung ab, daß meine Frau kurz nach mir das Lokal verlassen habe, daß es zwischen uns zu einem lauten Wortwechsel gekommen sei und daß ich dabei geschrien hätte, ich werde den Wagen gegen den nächsten Baum fahren, damit es endlich ein Ende gäbe. Und sie bezeugten weiter, daß ich den Parkplatz in einem verrückten Tempo verlassen habe und davongebraust sei.«
Severin schöpfte Atem. Er faltete die Hände und preßte die Fin-j gerspitzen so heftig gegen die Handrücken, daß die Fingernägel weiß wurden wie die kleinen Monde am Nagelende. Werner spürte, daß sein Herz gegen die Rippen hämmerte.
»Und weiter?« fragte er mit belegter Stimme, »was geschah dann weiter?«
»Am andern Morgen lag ein Brief auf der Schwelle meines Schlafzimmers. Darin teilte meine damalige Frau mir mit, daß sie mich endgültig und für immer verlassen habe
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