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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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und daß sie gegen mich Anzeige erstatten werde, wenn ich selber zu feig sein sollte, mich innerhalb von zwölf Stunden der Polizei zu stellen. Sie habe keine Lust, sich von einem Wahnsinnigen ermorden zu lassen, so wie ich den Radfahrer auf der Heimfahrt kurz hinter Grünwald ermordet habe. Der Wagen stände in der Garage, aber der Schlüssel dazu sei in ihrem Besitz, damit es mir nicht womöglich einfallen könne, die Spuren meiner Tat an ihm zu beseitigen.---
    Ich las die Zeilen und begriff kein Wort des Inhalts. Ich lief zur Garage hinunter, aber sie war abgeschlossen. Ich ließ einen Mann kommen, der das unkomplizierte Schloß in kurzer Zeit öffnete, und schickte ihn fort. Dann untersuchte ich den Wagen. Es war ein roter Porsche. Zunächst entdeckte ich nichts. Dann sah ich die kleine Delle am rechten vorderen Schutzblech und entdeckte auch den Sprung, den die Streuscheibe der rechten Lampe aufwies, und schließlich den zersplitterten und leicht verbogenen rechten Seitenspiegel. Es sah aus, als hätte der Wagen tatsächlich etwas gestreift. Einen Radfahrer? Wie kam sie zu der wahnsinnigen Behauptung, ich hätte einen Menschen getötet? Das hätte ich doch merken müssen!
    Ich rannte wieder in die Wohnung hinauf und riß die Morgenzeitung aus dem Briefschlitz. Nichts, so sehr ich auch suchte, keine Meldung über einen Unfall, der auf der Grünwalder Straße passiert war. Ich läutete die Polizei an und ließ mir die Verkehrswacht geben. Und dort erfuhr ich, daß gegen zwei Uhr morgens ein alter Mann, dessen Personalien bisher noch nicht festgestellt werden konnten, von einem unbekannten Wagen, von dem man Scherben eines Seitenspiegels gefunden habe, kurz hinter Geiselgasteig angefahren und gegen einen Kilometerstein geschleudert worden sei, wobei er sich das Genick gebrochen habe. Der Beamte fragte, woher ich etwas von dem Unfall wüßte, da er noch nicht in den Morgenzeitungen stände, und fragte weiter, ob ich über den Unfall etwas aussagen könne. Ich gab ihm keine Antwort, sondern hängte ein.
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen. In meiner Erinnerung klaffte eine Lücke, die ich nicht auszufüllen vermochte. Ich sah mich noch auf dem Parkplatz vom >Weinbauern< hinter dem Steuer sitzen, ich hörte noch meine wütenden Tiraden, ich werde uns beide zum Teufel fahren, aber dann riß der Film ab. Dann gab es auch nicht mehr einen Erinnerungsschatten bis zu dem Augenblick, in dem ich den Brief auf meiner Türschwelle gefunden hatte.
    Ich hatte es noch nie selber erlebt, aber von Bekannten oft genug gehört, nach irgendeinem wüsten Zechgelage seien sie am anderen Tage aufgewacht, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie ihr Wagen heil in die Garage oder vor das Haus gekommen sei. Ich hatte solchen Geschichten nie recht geglaubt. Irgendwo, zum Teufel, mußte man doch seine fünf Sinne beisammen haben, um ein Auto — selbst durch völlig leere Straßen — unbeschädigt heimzusteuern . Zugegeben, schalten, Gas geben, kuppeln, bremsen, es waren lauter mechanische Verrichtungen, die Hand und Fuß scheinbar selbständig ausübten, ohne daß das Hirn erst langatmige Direktiven erteilen mußte: schlag das Steuer nach rechts, tritt auf die Bremse, schalte auf den dritten Gang zurück... Aber bei völliger Besinnungslosigkeit war es doch nicht möglich, das komplizierte Zusammenspiel jener Vorgänge zu beherrschen, die das Fahren eines Autos nun einmal erfordert.
    Der medizinische Sachverständige erklärte dazu im Prozeß, diese Erinnerungslücke nach alkoholischen Exzessen sei sehr typisch, denn das Erinnerungsbild werde nicht sofort nach dem letzten Glas, sondern stets erst nach einigen Stunden getrübt oder vollends zerstört, wenn der Alkohol seine stärkste Wirkung ausübe. Solange noch eine stimulierende Wirkung vorhanden sei, könne ein Volltrunkener noch in der Lage sein, ein Kraftfahrzeug — wenn natürlich auch unsicher und im höchsten Grade lebensgefährlich für seine Umwelt — zu bedienen.
    Meine damalige Frau, vor Gericht befragt, wie sie es habe zulassen können, mich am Steuer des Wagens zu lassen, erklärte, ich sei für alle Bitten und Beschwörungen taub gewesen und hätte sie roh zur Seite gestoßen, als sie versucht hätte, das Steuer kurz vor dem Unfall noch herumzureißen. Bei dem rasenden Tempo, das ich gefahren hätte, wäre es glatter Selbstmord gewesen, etwas gegen mich zu unternehmen.
    Ich habe damit dem Ende der Geschichte vorgegriffen«, sagte Severin und wischte sich mit seinem Taschentuch

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