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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sich leicht, wenn mein Alter ‘ne Fabrik hätte, würde ich mir auch keine Sorgen machen.< — Sie stammte also, wie man so sagt, aus einem guten Stall. Aber das war mir nebensächlich — nicht ganz nebensächlich, das will ich offen zugeben — aber mich interessierte in jenem Augenblick nicht die Fabrik des Vaters, sondern dieses bezaubernde Geschöpf.«
    Werner sah die Szene vor sich, denn Severin erzählte ungemein plastisch. Man sah die Räume, Büros in der Auflösung, herumflatternde Mädchen, die sich Sorgen um die Zukunft machten, einen dicken schwitzenden alten Mann, der den Inhalt seiner Schreibtischschubladen wahllos in einen Koffer stopfte und inmitten des Weltuntergangs kühl, ein wenig ironisch und sehr schön die junge Anita Eyssing.
    »Ich war von ihrem Anblick wie geblendet. Es war, als wäre neben mir ein Blitzstrahl in die Erde gefahren. — Sie können sich vielleicht denken, daß ich Frauen gegenüber ziemlich abgebrüht war. Sie machten es mir schwer, indem sie es mir allzu leicht machten. Und dann erlebten sie die große Enttäuschung, daß man nicht anders war als andere Männer auch, höchstens noch eitler und darum noch langweiliger. Man war ja gar nicht so, wie man sich auf der Bühne oder auf der Leinwand zu geben hatte. Und sie wünschten sich doch, daß man auch außerhalb des Ateliers die Rolle weiter spiele, in die sie sich verliebt hatten... Und nun trat ich einem Mädchen gegenüber, das zu viele Schauspieler mit ihren menschlichen und allzumenschlichen Eigenschaften erlebt hatte, um sich Illusionen zu machen. Ich konnte mich geben, wie ich war. Und ich empfand es als Erlösung. Es ist sehr schwer, so etwas in Worten auszudrücken. Aber als Anita Eyssing in mein Leben trat, hatte ich das Empfinden, noch nie vorher einer Frau begegnet zu sein. Es war, als wäre sie mein erstes Erlebnis...«
    Werner winkte den kleinen, drahtigen Italiener heran und bestellte zwei Flaschen Cola.
    »Genug, es kam zu Verabredungen, gegen die sie sich zuerst spröde sträubte und auf die sie schließlich einging, dann trafen wir uns täglich, und endlich willigte sie ein, meine Frau zu werden. Und mit diesem Augenblick begann der Absturz.«
    Severin stürzte das eiskalte Getränk hinunter, füllte das kleine Glas von neuem, wartete, bis der bräunliche Schaum verzischt war und trank den Rest in kleinen Schlucken aus.
    »Aber ich muß einiges vorausschicken. Ich hatte in der Provinz begonnen. Mit Liebhaberrollen und jugendlichen Helden, die mir nicht recht lagen. Mit dreißig Jahren fing ich an, ein Gesicht zu bekommen, und man riskierte es vorsichtig, mich im Charakterfach einzusetzen. Chargen nennt man es im Theaterjargon. Es sind keine großen Rollen, aber sie sind dankbar und verlangen einem mehr ab, als auf der Bühne ein liebenswürdiges Gesicht und eine gute Figur zu machen. Es folgten Engagements in größere Städte, schließlich an bedeutende Bühnen, und dann wurde der Film auf mich aufmerksam und setzte mich in Chargen ein. Ich war viel beschäftigt und verdiente gut. Natürlich träumte ich davon, groß herauszukommen. Aber innerlich wußte ich, daß mir die Voraussetzungen zum Spitzenstar fehlten. Was den Star ausmacht, wird Ihnen kein Mensch erklären können. Es gibt großartige Schauspieler, die auf der Leinwand beim breiten Publikum einfach nicht ankommen, und es gibt andere, die so unscheinbar wirken, daß man sie übersehen möchte, aber sie strahlen irgendeinen unerklärlichen Charme aus, der die Masse hinreißt und der — und das ist das Wichtige und Entscheidende — volle Kassen macht. In dieser Beziehung lag ich also aussichtslos im Rennen. Aber vielleicht hatte ich einmal laut geträumt. Vielleicht hatte ich in ihrer Gegenwart unter dem Einfluß einer Flasche Wein die Grenzen vergessen, die mir gesetzt waren. Nebenbei — ich trank ein Glas Wein oder einen Whisky mit Genuß, aber ich war weit davon entfernt, etwa ein Trinker zu sein.«
    Der Wirt brachte auf Werners Bestellung zwei frische Espressos. Severin riß das Zuckertütchen auf, schüttete die Hälfte davon in den Kaffee und rührte den Inhalt mit dem winzigen Löffel um. Aber er vergaß, die Tasse an die Lippen zu führen. Er hob sie an und setzte sie wieder ab.
    »Es kam also die Geschichte mit der gefälschten Geburtsurkunde. Es gab Tränen und es gab böse Worte, aber wir versöhnten uns, und ich faßte den festen Vorsatz, diese dumme Sache abzulegen und zu vergessen. Und ich vergaß sie wirklich. Aber sie vergaß

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