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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sie nicht. Sie konnte sie nicht vergessen, denn sie hatte sich zu lange in ihrer Rolle bewegt. Sie war eine Haut geworden, die sie nicht mehr abstreifen konnte. Meine Freunde und Kollegen beneideten mich um meine Frau. Was für ein unglaubliches Glück hatte ich doch gehabt, diesen Haupttreffer zu ziehen und Schönheit und Reichtum mit einem Schlage zu gewinnen! Ja, sie verbreitete das Märchen von den Eyssingschen Arzneimittelfabriken und dem sagenhaften Vermögen ihres Vaters munter weiter, stellte an mich Ansprüche, als hätte ich eine Prinzessin aus regierendem Hause geheiratet, gab Gesellschaften und Cocktailparties, natürlich nicht daheim, denn dazu war die Wohnung viel zu klein, sondern in Hotels, es waren Veranstaltungen, die meine Einkünfte bei weitem überstiegen. Dazu kam die Anschaffung eines teuren Sportwagens, den uns angeblich ihr Vater zur Hochzeit geschenkt hatte, dazu kamen Schulden in Modegeschäften und Pelzhäusern, und dazu kam das schauerlichste — um mich nicht zu blamieren, log ich mit!«
    Severin kippte den tintenschwarzen Espresso mit einem einzigen Schluck hinunter und verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Ekels, als hätte er ein gallebitteres Chininpräparat aus den Eyssing-Werken geschluckt.
    »Ja, es ist so, wie ich es Ihnen sage — ich log mit. Es gab furchtbare Szenen zwischen uns. Ich drohte ihr, ich würde das ganze Lügengebäude zum Einsturz bringen. Sie lief mir davon. Ich holte sie zurück. Und das Stück begann von vorn. Ich mußte mich entscheiden, weiterzulügen oder sie zu verlieren. Ich war von ihr besessen, ich war ihr hörig, also machte ich den Schwindel weiter mit. Damals begann ich zu trinken. Aus Kummer und Scham. Und weil ich mich für uns beide schämte, begann sie mich zu hassen. Ich war der Zerstörer ihres Traums. Ich war ein lästiger Mahner. Ich war ein unbequemer Mitwisser...
    Natürlich könnten Sie sagen: was war schon dabei? Weshalb ließen Sie ihr nicht den an sich doch so harmlosen Traum, wenn sie ihn so gern träumte? Aber Sie vergessen dabei, Herr Gisevius, daß diese Grundlüge Kreise schlug, wie ein Stein, den man ins Wasser wirft. Ein abgeklapperter Vergleich, aber es gibt keinen besseren. Die Grundlüge erforderte eine ständige Wachsamkeit, sie zeugte neue Lügen, sie vergiftete die ganze Luft. Und dazu kam noch etwas anderes, das viel schwerer wog. Ich blieb ihr schuldig, was ich ihr doch — jedenfalls behauptete sie das — versprochen hatte: ein Star zu werden, in dessen Ruhmessonne der Glanz für sie ab fiel, den sie beanspruchte. Von den Einnahmen ganz zu schweigen. Ich habe eine gewisse Ähnlichkeit mit James Mason. Wenn Kollegen mich auf ziehen wollten, nannten sie mich James Severin oder Niels Mason. Und das bekam ich nun von ihr Tag für Tag zu hören: du siehst doch aus wie Mason, und du kannst doch spielen! Weshalb begnügst du dich mit Nebenrollen? Weshalb drängst du dich nicht zur Spitze vor? Rühmann hat für seinen letzten Film 150000 Mark bekommen! Und Jürgens nimmt überhaupt keine Rolle unter einer halben Million an! — Lieber Gott, als ob das am Ehrgeiz oder am Willen läge! Aber dieses ständige Gestichel, diese manische Gier nach Geld, Bedeutung, Glanz, Namen und Star-Ruhm machte mich krank. Ich trank nicht mehr, ich begann zu saufen. Ich betäubte mich mit Alokohol , und wenn seine Wirkung verflog, mußte ich mich mit anderen Mitteln aufputschen, um auf der Bühne oder im Atelier nicht zu versagen. Natürlich ging es mit mir bergab. Und mit dem innerlichen Abstieg, mit dem moralischen Verfall, begann auch der äußere. Mein Bühnenvertrag wurde nicht verlängert. Der Film nahm mich immer seltener in Anspruch. Aber sie lebte das große Leben weiter, so eingesponnen in ihren Traum der feudalen Herkunft, daß sie mir allen Ernstes vorwarf, wenn ich nichts weiter als ein kleiner Chargenspieler sei, dann hätte ich eben keine anspruchsvolle Frau heiraten dürfen. Das hieß nicht einfach anspruchsvoll, sondern das bedeutete: eine Eyssing-Tochter ! Und das sagte sie mir vor drei oder vier Leuten, ihren Bridgepartnern und einem Kiebitz, der dabeisaß und mich angrinste. Der Bursche bemühte sich heftig um sie, ein schwerreicher Junge, der gut aussah, sich die Autos nach der Farbe seiner Krawatten kaufte und in jedem Tümpel mindestens eine Segeljacht liegen hatte. Mit mir ging der Gaul durch. In meiner eifersüchtigen Wut und Betrunkenheit schmiß ich die ganze Bande ‘raus. Und von der Wohnungseinrichtung blieb nicht

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