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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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und ich schlief ein. Ich bemerkte noch, daß sich der Wagen in Bewegung setzte, aber das ist meine letzte Erinnerung. Ich weiß auch nicht mehr, wie ich in mein Bett gekommen bin. Aber das weiß ich gewiß, daß ich den Wagen nicht heimgefahren habe!«
    Werner starrte auf den Tisch, es war eine Glasplatte, in der sich Severins Gesicht undeutlich spiegelte, die bunten Lampen schimmerten darin als rote und gelbe Lichtflecke, und von seinem Colaglas, das beim Einschenken übergelaufen war, rann ein bräunliches Rinnsal zum Rande hin. Er zeichnete mit der Spitze des Zeigefingers klebrige Kreise um sein Glas.
    Wenn es stimmte, was Severin erzählt hatte...! Aber stimmte es wirklich? Hatten sich die Ereignisse so abgespielt, wie Severin sie schilderte? Oder hatte er sich in der Einsamkeit der Haft nur eine Geschichte zusammenphantasiert, um an seine Schuldlosigkeit am Tode eines alten Mannes glauben zu können?
    »Ist es öfters geschehen, daß Ihnen Ihre Frau nach einem vorangegangenen Streit davonfuhr und Sie einfach auf der Straße stehenließ?« fragte Werner schließlich.
    »Nein«, antwortete Severin, »aber was soll Ihre Frage?«
    »Die Tatsache, daß Sie den Zündschlüssel abzogen, bevor Sie den Platz wechselten, ist eine Einzelheit, die mir nicht erfunden zu sein scheint.«
    »Ich verstehe«, murmelte Severin, »Sie glauben immer noch, ich hätte mir die Geschichte zurechtgemacht...«
    Werner hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.
    »Ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte er verwirrt; »mir erscheint alles, was Sie mir erzählt haben, so ungeheuerlich, so unfaßbar , es ist mir so fremd und liegt so weit von jener Welt, in der ich lebe und in der ich mich bewege, daß ich damit erst fertig werden muß. Ich brauche jetzt Luft. Luft und Bewegung. Und Schlaf. Frankfurt hat mir einen Schlag versetzt. Aber Sie haben mir den Rest gegeben. Mir wirbelt der Kopf. — Und wenn Sie nichts dagegen haben, dann möchte ich jetzt aufbrechen.«
    Severin erhob sich. Er sah erschöpft aus. In seinen Augenwinkeln hatte sich weißes Sekret gebildet. Und auf Kinn und Wangen zeichnete sich der dunkle Ansatz des Bartwuchses ab. Er stülpte den Hut über den Schädel und hängte sich den Trenchcoat über den Arm.
    Werner beglich an der Theke die kleine Rechnung, während Severin vor dem Lokal auf ihn wartete. Es waren inzwischen neue Gäste gekommen. Die Musikbox dröhnte hinter ihnen einen Marsch her. Sie gingen den kurzen Weg zu Severins Quartier zurück.
    »Finde ich Sie hier wieder, wenn ich Sie noch einmal auf suchen möchte?« fragte Werner, als sie vor der Tür des Gasthofes haltmachten.
    »Ja — ich bemühe mich zwar um ein Zimmer, aber die Preislage der Angebote ist mir zu hoch.«
    Werner zögerte noch einen Moment, sich zu verabschieden.
    »Beantworten Sie mir noch eine Frage«, sagte er schließlich, »weshalb haben Sie eigentlich bei Ihrem Scheidungsprozeß nicht mit der Lüge aufgeräumt, daß Ihre ehemalige Frau nichts mit den Eyssing-Werken zu tun hat?«
    »Ich habe mich fast gewundert, daß Sie diese Frage nicht schon längst gestellt haben. — Ich habe es mit Absicht vermieden, an diese Geschichte zu rühren. Denn sie ist die einzige Waffe, die ich gegen sie besitze.«
    »Ich verstehe das nicht. Wollen Sie damit sagen, daß sie Ihnen deshalb die Wahrheit sagen wird, weil Sie ihre Lüge kennen? Ich halte jeden Versuch von Ihnen, Anita Eyssing zum Reden zu bringen, für aussichtslos.«
    »Ich nicht!« sagte Severin kopfschüttelnd; »ich bin vielmehr davon überzeugt, daß mein Anblick, daß der Anblick meines ihr so verhaßten Gesichts es dazu kommen lassen wird, wozu es zwischen uns immer wieder kam. Ich kenne Stichworte, an denen sie sich bis zur Weißglut erhitzt, ich kann mir vorstellen, welche Genugtuung es ihr bereiten wird, mir unter vier Augen die volle Wahrheit zu sagen.«
    »Mein Gott«, murmelte Werner erschüttert, »was für ein Abgrund an Abscheulichkeit... Und was wollen Sie dann unternehmen, wenn Sie die Wahrheit erfahren haben?«
    »Nichts!« antwortete Severin; »ich sagte Ihnen doch schon zu Anfang, daß ich mich nicht rächen will. Und die drei verlorenen Jahre kann mir niemand zurückgeben. — Leben Sie wohl!« Er nickte Werner zu und wollte gehen, aber Werner hielt ihn zurück.
    »Warten Sie noch ein paar Tage! Oder haben Sie es sehr eilig?«
    Severin schüttelte den Kopf.
    »Ich habe so lange gewartet, daß es mir auf ein paar Tage nicht ankommt.«

    Es wurde drei oder vier Uhr

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