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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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keine Ehe beginnen konnte.
    Er schlief bis in den Nachmittag hinein. Die Kinder hatten sich Freunde eingeladen und spielten im Garten unter lautem Geschrei Greifen und Verstecken. Nur Karin machte nicht mit, über diese Kindereien war sie schon hinaus. Sie lag in einem Liegestuhl auf der Terrasse und ließ sich die Frühlingssonne ins Gesicht scheinen. Neben ihr lag ein lexikonstarker Band mit dem Titel »Teenager-Brevier« am Boden. Das Kapitel »Wann beginnt man mit der Schönheitspflege?« war aufgeschlagen und enthielt ausführliche Ratschläge gegen die vorzeitige Faltenbildung der Gesichtshaut. Christine bügelte in der Küche, und Gerda saß in ihrem Zimmer am Nähkorb, um Birgits Kleider auf Glanz herzurichten. Werner ging leise durch die Diele und durch die beiden großen Zimmer zum Telefon, das auf Dyrenhoffs Schreibtisch stand. Er wählte die Nummer der Kanzlei und bat darum, Frau Eyssing sprechen zu dürfen. Sie war selber am Apparat.
    »Du, Werner? Schon von der Reise zurück?«
    »Ja, bereits seit gestern abend...«
    »Daß du dich nicht gemeldet hast...!«
    »Entschuldige, aber ich war total durchgedreht.«
    »Dein Telegramm aus Stuttgart fand ich abends in der Wohnung. Schönen Dank dafür...«
    »Hat Dyrenhoff dir nicht ausgerichtet, daß ich plötzlich weg mußte? Ich bat ihn darum...«
    »Ja, er hat es mir gesagt und mich dabei ein wenig merkwürdig angeschaut. Aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein...«
    »Sicherlich...! Sehen wir uns heute abend?«
    »Ich werde mich beeilen. Du kannst mich um halb sieben abholen. Auf Wiedersehn bis dahin...« Ein leiser Laut, als hätte sie die Lippen gespitzt und ihm einen Kuß hingehaucht.
    »Auf Wiedersehn ...«
    Er hängte ein und starrte eine Sekunde lang auf den Apparat, als könne er es nicht glauben, daß diese zärtliche Stimme solcher Wandlungen fähig sei. —
    Karin ließ das Buch sinken und sprang auf, als sein Schatten ihr die Sonne wegnahm.
    »Daß du dich auch einmal wieder sehen läßt, Onkel Werner!« sagte sie halb erfreut und halb gekränkt, daß er sie so lange vernachlässigt hatte.
    »Pst!« machte er, »und kein Wort zu den anderen! Ich hätte Lust, mit dir eine kleine Spritztour zu machen. Bist du dabei?«
    »Und ob!« strahlte sie auf, »aber was zieh ich an?«
    »Ich finde, du siehst in deinem Pulli und in der Hose am hübschesten aus, und es paßt auch für den offenen Wagen.«
    »Und wo wollen wir hinfahren?«
    »Das überlasse ich dir...«
    »Oh! Dann fahren wir erst einmal nach Starnberg, und dort überlegen wir uns, wohin es weiter geht.«
    »Also auf, meine Kleine, melde dich bei deiner Mutter ab und komm, ich warte an der nächsten Ecke, damit die anderen nichts merken.«
    »Du bist eine Wucht, Onkel Werner!«
    Sie rannte ins Haus, und er fuhr bis zur nächsten Ecke, um dort auf sie zu warten.
    »Einen Moment noch«, bat sie, als sie sich neben ihm in den Sitz fallen ließ. Sie drehte den Rückspiegel zu sich herunter, band sich ein buntes Seidentüchelchen um den Kopf und holte einen Lippenstift aus ihrer Hosentasche.
    »Er gehört Christine, ich habe ihn mir für die Fahrt von ihr ausgeliehen...«
    »Steck das Ding weg!« sagte er, »du hast doch so etwas noch nicht nötig!«
    »Hast du eine Ahnung, Onkel Werner! Ohne Lippenstift ist man doch nicht angezogen. Oder willst du mir erzählen, daß sich die Mädels im meinem Alter in Venezuela nicht die Lippen anstreichen?«
    »Sie malen sich an wie die Indianer auf dem Kriegspfad...«
    »Und findest du es nicht hübsch?«
    »Was ich mir bei fremden jungen Mädchen denke, geht dich einen feuchten Kehricht an, mein Herzchen!« murmelte er und sah stirnrunzelnd zu, wie sie die Lippenbögen nachzog, »und trag um Himmels willen nicht so dick auf!«
    »Bin schon fertig«, sagte sie und drückte die Lippen in ihrem Taschentuch ab.
    »Na, dann ist es ja gut. Ich dachte schon, du hättest dir von Christine vielleicht noch den Nagellack ausgeborgt und von deiner Mutter die Hormoncreme zur Verjüngung der Haut...«
    »Bist du aber witzig, Onkel Werner«, kicherte Karin ungerührt.
    Sie fuhren nach Starnberg, wo sie auf der Terrasse am See Kaffee tranken und Obstkuchen mit Schlagrahm aßen. Der schöne Tag hatte eine Menge Leute hinausgelockt, die rasch für ein paar Stunden die Sonne und den zauberhaften Blick über den glitzernden See und auf die zart hingetuschten Konturen der Berge genießen wollten. Sogar ein Bootsverleiher machte bereits die ersten Geschäfte. Später fuhren sie

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