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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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morgens, als Werner in dem überheizten Hotelzimmer endlich Schlaf fand. Und es war neun Uhr, als er bleischwer erwachte. Nach dem Bad und nach der kalten Dusche fühlte er sich frischer, und der Druck wich vollends, als er eine Doppelportion extra starken Kaffees zu sich genommen hatte. Aber die Gedanken surrten weiter, es war, als hätte der kurze Schlaf ein Getriebe nur für ein paar Stunden ausgeschaltet. Mit dem Augenblick des Erwachens lief es weiter und ließ die gleichen Fragen, die es stundenlang in ewiger Wiederholung abgehaspelt hatte, erneut schnurren.
    Mochte Severins Darstellung auch maßlose Übertreibungen enthalten, mochte manches dazugekommen sein, was sich in Wahrheit nie zugetragen hatte, aber völlig aus der Luft gegriffen konnte seine Geschichte nicht sein, und wenn nur die Hälfte davon, ja, wenn nur ein kleiner Teil den Tatsachen entsprach, dann war sie schon schlimm genug.
    Man mußte sich in Severins Lage versetzen, um zu begreifen, daß die Lüge Anita Eyssings von ihrer noblen Herkunft keine Bagatelle war, kein harmloser Spleen, den man belächeln und durchgehen lassen konnte wie irgendeine andere Marotte, in die sich ein nahestehender Mensch verspann. Hier war zweifellos jene Grenze überschritten, die eine harmlose Narrheit vom krankhaft Pathologischen trennt. Und es war schauderhaft, sich den eisigen Haß vorzustellen, der jene Ehe vergiftet hatte. Aber daß dieser Haß sich zu der letzten Maßlosigkeit steigern konnte, zu jener ungeheuren Beschuldigung, die Severin ausgesprochen hatte, das überstieg sein Vorstellungsvermögen, und Werner begann sich ernsthaft zu fragen, ob der in Wahrheit krankhafte Verstand nicht in Severins Kopf wohne.
    Das Hotelzimmer ging ihm auf die Nerven. Er brauchte frische Luft und vernünftige, gesunde Menschen, bei denen er sich von dem Alpdruck erholen konnte. So fuhr er noch am Vormittag nach Gräfelfing hinaus. Der Tag war schön und frühlingshaft warm. In den langen Rabatten, die den Weg zur Garage einfaßten , waren die Tulpen hochgeschossen und standen bereit, ihre bunten Kelche zu öffnen. Die Forsythien leuchteten trompetengelb, und am Nußstrauch hingen die dicken Blütenraupen und stäubten goldene Wölkchen über den Weg.
    Christine stand im Hof hinter dem Haus und hängte Wäsche auf, und Gerda, mit einem buntem Kopftuch über dem Haar, war mit einem Waschkorb unterwegs, um die nächsten Stücke aus der Schleuder zu holen.
    »Wenn du frühstücken willst, Werner, dann mußt du schon selber an die Speisekammer gehen. Wie lange ein Ei kochen muß, wirst du hoffentlich wissen.«
    »Danke, das Frühstück habe ich längst hinter mir.«
    »Und zu Mittag gibt es nur Linsen.«
    »Nur Linsen? Dafür hat Esau seine Erstgeburt verkauft, und ich finde, der alte Knabe wußte, was er tat. Machst du sie wie Mutter? Mit ausgelassenen Speckscheiben und angerösteten Zwiebeln?«
    »Natürlich, wie denn sonst?«
    »Großartig, mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen. Laßt mich euch helfen, damit der Hunger größer wird.«
    »Also los, wenn du durchaus helfen willst. Nimm den Korb und komm mit!«
    Eine Stunde stand er mit aufgekrempelten Hemdsärmeln an der Waschmaschine, schleppte die vollen Körbe zu Christine auf den Trockenhof und half ihr beim Aufhängen, Ziehen und Zusammenlegen der großen Stücke. »Das geht ja, als ob Sie das gelernt haben, Herr Gisevius!« staunte Christine.
    »Und ob ich das gelernt habe!« grinste er, »damit verdiente ich mir als Bub mein Taschengeld. Zwei Zehnerl wöchentlich fürs Kohlenschleppen, drei fürs Holzhacken und für die große Wäsche und eins am Sonntag für Rückenkraulen.«
    »Wofür?«
    »Rückenkraulen! Das war am Sonntagnachmittag der Höhepunkt im Leben meines Vaters, dann legte er sich mit dem Bauch aufs Kanapee und ich mußte mich dazusetzen und mit den Fingerspitzen über seinen Rücken krabbeln.«
    »Und ich mußte meinem Vater immer am Sonntag die Hühneraugen schneiden«, kicherte Christine, »aber meistens bekam ich eine geklebt, weil ich mit dem Messer danebenfuhr .«
    Sie lachten sich an, und Werner dachte: was für eine gesunde, saubere Luft! Sie hatten alle drei tüchtig zu tun, denn die Wäsche, die kaum noch feucht aus der Schleuder kam, trocknete an der Leine im Sonnenschein und Wind im Handumdrehen.
    »Kommt dein Dyrenhoff heute nicht zum Essen heim?« fragte Werner, als Gerda in der Küche den Tisch deckte, denn an Waschtagen ging es im Hause >ganz ohne Umstände< zu.
    »Nein, er ißt

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