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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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in der Stadt. Hülsenfrüchte hat ihm der Arzt verboten. Du weißt doch, sein Herz... «
    »Ist es wirklich so schlimm?«
    »Ach, Unsinn«, antwortete Gerda gelassen, »der Arzt sagte mir, es sei nichts als das übliche Raucherherz. Aber Lothar ist ein furchtbarer Hypochonder, und die Warnung vor Erbsen und Linsen kommt ihm äußerst gelegen, denn er kann sie nicht ausstehen. Die Zigarren, die ihm der Arzt streng verboten hat, genehmigt er sich nach wie vor.«
    »Und was ist mit dem Cognac?«
    »Aus dem macht er sich nichts. Seine Schwäche ist das Bier. Und das wiederum läßt er aus Eitelkeit, weil er nach jedem halben Liter ein Pfund ‘raufpackt.«
    »Lieber Gott«, murmelte Werner, »und ich dachte, wenigstens bei euch sei das Leben unkompliziert...«
    »Warum?« fragte Gerda, »wo hast du Komplikationen entdeckt?«
    »Oh, nur so, ich sprach ganz allgemein...«
    »Ich dachte schon, du hättest auf deiner Reise nach Köln oder Mannheim Unannehmlichkeiten gehabt.«
    »Nein, es hat alles geklappt, und ich habe erreicht, was ich erreichen wollte.«
    »Und sonst?« fragte Gerda blinzelnd, »hast du auch sonst erreicht, was du erreichen wolltest?«
    Einen Augenblick lang war er nahe daran, Gerda alles zu erzählen, um den Druck in der Brust loszuwerden und um zu erfahren, was sie von Severins Geschichte hielt. Aber es war zu früh...
    »Ich fürchte, daß dein Dyrenhoff recht hat«, sagte er.
    »Kein Honig in der Blüte?« fragte sie lächelnd.
    »Jedenfalls habe ich ihn noch nicht entdeckt«, murmelte er und war froh, daß das Gespräch durch Christines Eintritt unterbrochen wurde.
    Sie aßen zu dritt in der Küche. Die Kinder waren noch in der Schule und bekamen ein Extragericht, da sie Dyrenhoffs Abneigung gegen Hülsenfrüchte teilten. Für sie stand eine große Schüssel mit Schokoladenpudding und Vanillesauce bereit. Werner aß schweigend und beteiligte sich nicht an der Unterhaltung zwischen Gerda und Christine, die zudem nur um hauswirtschaftliche Dinge ging.
    »Was ist eigentlich los?« fragte er, nachdem er den Löffel weggelegt hatte, »hier wird geredet, als ob morgen die Welt untergeht und als ob das Haus vorher noch ordentlich bestellt werden soll.«
    »Du ahnungsloser Engel!« seufzte Gerda, »übermorgen beginnen die Osterferien, und übermorgen geht Christine für drei Wochen auf Urlaub heim und nimmt Birgit zu ihren Eltern mit. Das ist für mich ja nicht gerade ein ganzer Weltuntergang, aber es kommt nahe heran. Ich gönne Christine den Urlaub von Herzen, denn sie hat ihn sich redlich verdient...«
    »Ach, Frau Dyrenhoff...!«
    »Nun, tun Sie nur nicht so, Christine, als ob Ihnen der ganze Kram nicht auch manchmal zum Halse heraushängt! Dieser ewige Kampf gegen den Dreck, dieses Staubsaugen und Bohnern, dieses Bettenmachen und Geschirrabspülen und Essenkochen und Putzen und wieder Abspülen und dazu noch die Kinder...! Das sag’ ich dir, wenn ich das nächstemal auf die Welt komme, dann nur als Mann!«
    »Ich auch!« seufzte Christine aus vollem Herzen.
    »Na, sehen Sie. Und da laden Sie sich noch für den Urlaub eins von den Bälgern auf!«
    »Ich weiß selber nicht, wie es kommt, aber bei mir daheim sind sie stad wie die Mäuserl . Da gibt es keinen Krach und kein Geschrei und keinen Streit...«
    »Weil die beiden anderen Streithammel fehlen!«
    »Und was mich betrifft«, meinte Werner, »ich mache dir in der Zeit, in der du hier allein wirtschaften mußt, keinen Kummer. Jetzt hast du nichts mehr gegen das Hotelzimmer einzuwenden, wie?«
    »Ehrlich gesagt, für die nächsten drei Wochen bin ich ganz froh darum...«
    »Na also!« sagte er und erhob sich vom Tisch, um auf sein Zimmer zu gehen und sich für eine halbe Stunde hinzulegen. Es war eine Gewohnheit aus Caracas, wo zwischen zwölf und vier in der tropischen Mittagshitze alles Leben erstarb und wo sich, wie es hieß, sogar die Kakerlaken auf den Rücken legten.
    Er hatte das Gefühl, einen Nachtspuk erlebt zu haben, eine unheimliche Geschichte, in der nicht Menschen aus Fleisch und Blut, sondern wüste Schemen ihr Unwesen trieben. Die Begegnung mit Anita beunruhigte ihn nicht mehr. Er wußte, daß es ihm gelingen werde, die Beziehungen zu ihr ohne Peinlichkeiten zu lösen. Selbst unter der Voraussetzung, daß Severins furchtbarer Verdacht nur ein Hirngespinst war, genügte das, was er sonst gehört hatte, ganz abgesehen von seinem blamablen Frankfurter Erlebnis, um zu der klaren Einsicht zu gelangen, daß man mit solch einer Belastung

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