Eine Frau geht ihren Weg
am Morgen macht dick.”
Er schob ihre Papiere beiseite und stellte den Teller direkt vor sie hin. „So ein Unsinn”, widersprach er, wobei er Sybil von oben bis unten musterte. „Du kannst ja ein paar Gymnastikübungen einlegen”, fügte er mit einem schelmischen Lächeln hinzu.
Unwillkürlich überprüfte Sybil die obersten Knöpfe ihrer Bluse und ärgerte sich im selben Moment über ihre alberne Reaktion. Ihm Besorgnis war umsonst. Am Morgen hatte sie nämlich darauf geachtet, ihre Bluse bis obenhin zuzuknöpfen.
Während Daniel sie noch belustigt anlächelte, streckte Sybil schnell die Hand aus und nahm sich eins der Kuchenbrötchen. Sie dufteten verführerisch, und da Sybil am Vorabend nichts gegessen hatte, durfte sie sich heute wohl ein etwas reichhaltigeres Frühstück gönnen.
Genussvoll schloss sie die Augen, während sie das warme, lockere Gebäck auf der Zunge zergehen ließ. Da spürte sie Daniels Lippen, der mit der Zungenspitze ihr Ohrläppchen liebkoste.
Sie schluckte und wich ein wenig zurück. Doch die zärtliche Berührung war so erregend, dass sie sich spontan wieder vorbeugte und seinen Kuss erwiderte.
„Der Küchenchef hat schließlich eine Belohnung verdient”, bemerkte er und zog sich einen Stuhl heran, um sich neben Sybil zu setzen. „Obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, mich hier als Koch verdingt zu haben.”
„Ich würde eher sagen, du hast dich als blinder Passagier hier eingeschlichen.”
„Blinde Passagiere steuern gewöhnlich nicht das Schiff.”
„Es hat dich niemand zum Bleiben gezwungen, Daniel”, sagte sie ruhig. „Warum bist du überhaupt mit mir gekommen?”
Die Frage schien ihm sichtlich Unbehagen zu bereiten. „Ich bin es nicht gewöhnt, dass Geschäftsführerinnen vor mir davonlaufen. Vielleicht wollte ich dir nur klarmachen, dass das nicht nötig war.”
Seine Worte beunruhigten sie, denn sie deuteten mehr an, als ihr lieb war. Doch was sollte sie sich darüber den Kopf zerbrechen? Eine Beziehung mit ihm kam nicht in Frage, auch wenn er anders darüber denken sollte.
Während Sybil ihr Kuchenbrötchen aß, trug Daniel den Teller in die Küche und kam mit zwei frischen Bechern Kaffee zurück. „Ich habe ein paar Telefonanrufe zu erledigen”, erklärte er. „Du kannst ja inzwischen weiterarbeiten.”
Sybil brauchte eine geraume Weile, bis sie sich wieder in ihre Unterlagen vertieft hatte. Doch bald arbeitete sie konzentriert und merkte nicht mehr, was um sie herum geschah. Erst als sie Daniel wütend den Hörer auf die Gabel knallen hörte, blickte sie von ihrer Arbeit auf.
„Wo steckt dieser Mann nur! Er hätte sich wenigstens mit seiner Sekretärin in Verbindung setzen können”, brauste er auf, während er erbost von der Couch aufstand.
In diesem Moment klingelte das Telefon. Sofort griff er nach dem Hörer. „Hallo! Edwin! Sie sind schwer zu erreichen.” . Durch Daniels Wutausbruch von ihrer Arbeit abgelenkt, lehnte sich Sybil in ihrem Stuhl zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und streckte ihre steifen Seite 39 von 73
Glieder. Draußen war inzwischen die graue Wolkendecke aufgerissen, und die Sonne schien durch das Esszimmerfenster geradewegs auf ihren Tisch.
Daniel hatte sein Telefongespräch beendet. Er kam zu ihr herüber und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Du kannst doch bei diesem herrlichen Sonnenschein nicht hier sitzen und arbeiten. Wollen wir Gras-Ski laufen?”
„Gras-Ski? Wo wir einen See vor der Haustür haben, in dem man angeln kann? Niemals!”
Sybil lachte.
„Aber so gern ich auch mitkommen würde, ich habe wirklich keine Zeit dazu.”
„Wie war’s mit Schlittschuhlaufen? Soweit ich mich erinnern kann, ist hier irgendwo in der Nähe eine Eisbahn.”
Sybil schüttelte den Kopf. „Nein, Daniel. Ich muss wirklich diese Analyse hinter mich bringen.
Oder etwa nicht?”
Erwartungsvoll wie ein kleiner Junge lächelte er sie an. „Vor Montag musst du sie nicht abliefern. Und vorhin meintest du, du könntest sogar morgen schon damit fertig sein. Da bleibt dir genug Zeit, um mit mir reiten zu gehen.”
Sybil blickte ihn scharf an. „Warum willst du eigentlich nicht zum Angeln?”
Daniel nahm die Hände von ihren Schultern und setzte sich. „Ich habe keine Lust dazu.”
„Daniel, hast du überhaupt schon einmal geangelt?”
Er ließ sich so lange Zeit mit seiner Antwort, dass Sybil schon glaubte, er hätte ihre Frage überhört. „Nein”, gestand er schließlich.
„Was?” rief
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