Eine Frau geht ihren Weg
können!
Wollte er sie unbedingt vor ihren Angestellten blamieren?
Als sie keine Anstalten machte, sich nach ihm umzudrehen, trat Daniel hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern und küsste sie auf den Nacken. Gereizt löste sich Sybil aus seiner Umarmung, ging eiligen Schritts zur Stereoanlage und zog eine Platte nach der anderen aus dem Plattenschrank heraus. Sie hatte Daniel noch kein einziges Mal angesehen. Dabei wusste sie, dass sie sich zu ihm | umdrehen und ihm ins Gesicht sagen sollte: das Spiel ist aus! Statt dessen blieb sie stumm stehen und mied die Begegnung.
„Sybil”, hörte sie Daniel sagen. „Ich wollte dir nur mitteilen, was Essco mit Ticher vorhat.
Sybil, hörst du mir überhaupt zu?” Er kam zu ihr, packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich herum.
Sie sah in sein Gesicht, sah sein markantes, energisches Kinn, seine Augen, in denen ein kobaltblaues Feuer brannte. Sie atmete den herben Duft ein, der von ihm ausging, und wurde von einem Strudel von Gefühlen mitgerissen.
Unvermittelt beugte Daniel sich zu ihr hinab und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Sybil wurde von Panik ergriffen. Heftig wandte sie den Kopf und riss sich von ihm los.
„Sybil”, brachte Daniel fassungslos hervor. „Was ist nur mit dir los?” Er fasste sie um die Taille und versuchte, sie an sich zu ziehen. Doch Sybil entwand sich ihm.
„Lass mich in Ruhe.”
Mit blitzenden Augen musterte er sie. „Du hast dich also wieder in deinen Elfenbeinturm zurückgezogen!” schleuderte er ihr verächtlich entgegen. „Die Ferien sind vorüber und jetzt wird wieder übers Geschäft gesprochen. Okay, Miss Pagel. Ich werde mich daran halten.”
Er ließ die Tür so heftig ins Schloss fallen, dass die Fensterscheiben in den Rahmen klirrten.
Dann hörte sie den Motor seines Porsche aufjaulen und ihn mit quietschenden Reifen davonfahren.
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Sybil fing an, am ganzen Körper zu zittern. Sie setzte sich mitten auf den Fußboden und begann jämmerlich zu schluchzen.
Sie wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte. Nur eines wusste sie ihre Augen und Lippen waren vom Weinen geschwollen, und sie fühlte sich völlig erschöpft. Es kostete sie unsagbare Anstrengung, aufzustehen und sich ins Schlafzimmer zu schleppen. Mit letzter Kraft zog sie sich aus und warf sich aufs Bett.
Am folgenden Tag wachte Sybil erst gegen elf Uhr auf. Sie erschrak, als sie sah, dass es schon so spät war. Und obwohl sie sich wie zerschlagen fühlte, gab sie sich einen Ruck und stand auf.
Sie stolperte ins Badezimmer, drehte den Duschhahn auf und stand unter dem prickelnden, eiskalten Wasserstrahl, bis ihre Lebensgeister erwachten.
Sybil erinnerte sich an das, was am Vortag geschehen war. Sie ahnte, dass sich all die aufgestauten Gefühle eines Tages überraschend Bahn brechen würden, wenn es ihr nicht gelang, ihr Gefühlsleben wieder zu beherrschen. Vielleicht sollte sie sich nach ein paar Männern umschauen, die sie interessant fand. Den Gedanken, dass sie keinem faszinierenderen Mann als Daniel Huntingdon begegnen würde, verdrängte sie schnell.
Nachdem sie ihr Haar getrocknet hatte, ging sie zu ihrem Kleiderschrank. Sie wählte eine braune Baumwollhose und eine elfenbeinfarbene Bluse mit weiten Raglanärmeln, die am Handgelenk durch enge Bündchen zusammengefasst wurden. Sie sah so umwerfend aus in dieser Kombination, dass sich nach einem Blick in den Spiegel ihre Laune beträchtlich besserte.
Schließlich schlüpfte sie in hohe, schwarze Lederstiefel, stellte sich vor ihren Spiegel, die Arme in die Hüften gestemmt, und begann, sich selbst eine Strafpredigt zu halten. „Du wirst nicht alles, was du dir hart erarbeitet hast, für einen Mann aufgeben, dem jede Taktik recht ist, um sein Ziel zu erreichen”, sagte sie laut zu sich selbst. „Zugegeben, dein Körper reagiert auf ihn wie auf keinen anderen Mann, aber darfst du deshalb deinen guten Ruf zerstören? Ist es das wert? Nein, gewiss nicht!”
Sybil starrte ihr Spiegelbild an. Die energische junge Frau, die ihr daraus entgegenblickte, sah aus, als hätte sie die ganze Nacht geweint. Was ja auch der Wahrheit entsprach. Resigniert ließ sie die Arme sinken und setzte sich aufs Bett. Gestern abend war sie außer sich vor Wut gewesen, bevor tiefe Traurigkeit sie überkam. Doch jetzt empfand sie gar nichts mehr, außer einer gähnenden Leere,
Schwerfällig stand sie auf, um sich Frühstück zu machen. Dabei versuchte sie sich einzureden, wie sehr sie
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