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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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eben jener Frieda, die nun bei uns auf dem Küchenstuhl hockt und Botschaft bringt.
    Die erste Frage der Witwe: »Haben sie euch auch – ?«
    Nein, Frieda kam heil durch, das heißt, nicht ganz heil, einer hat sie im Kellergang ein bißchen an die Wand gedrückt, mußte aber gleich weiter, Krieg führen, so daß er sich nicht zu Ende verlustieren konnte. Überhaupt sind die Truppen durch den Block, in dem die Mädels hausen, sozusagen im Galopp durchgebraust, kurz vor der Kapitulation, ohne sich irgendwie festzusetzen. Die werdende Mutter hat auf ihr Bäuchlein getippt und »Baby« gesagt – sie hat man gar nicht angerührt.
    So berichtet die Kleine und sieht uns mit blanken, wie poliert wirkenden Augen an. Ich kenne diese Augen, hab allzuoft meine eigenen Augen so aus dem Spiegel schauen sehen, als ich von Brennesseln und Grütze lebte. Tatsächlich hakt es da bei den Mädeln, und deshalb hat Frieda die mühseligen Fußstunden auf sich genommen, die, wie sie sagt, durch völlig stumme, öde Straßen führten. Sie bittet für die angeheiratete Nichte der Witwe und ihren werdenden Bams um Nahrung. Sie berichtet, daß die junge Frau den ganzen Tag flach auf dem Rücken liege und beim geringsten Versuch, aufzustehen, Schwindelanfälle habe. Eine Krankenschwester sieht gelegentlich nach ihr und hat ihr erklärt, daß die Frucht, sobald die Mutter sich nicht ausreichend ernähren kann, ihre Werdestoffe aus dem mütterlichen Körper herausholt, schmarotzend an Kalk und Blut und Muskelsubstanz.
    Die Witwe und ich suchen zusammen, was wir glauben, verschenken zu dürfen: etwas von der Majorsbutter und von seinem Zucker, eine Büchse Milch, ein Brot, ein Stück Speck. Frieda ist selig. Auch sie sieht jammervoll aus, hat Beine wie Stecken, die Knie treten knorrig hervor. Dabei ist sie ganz munter und fürchtet sich nicht vor den zwei Stunden Heimweg. Wir freuen uns über die Botin aus dem fernen Stadtteil, lassen uns ausführlich schildern, welchen Weg sie genommen hat, was sie unterwegs sah. Wir streicheln sie und strahlen sie an, die kälbrige, halb verhungerte Achtzehnjährige, die, wie sie uns erzählt, einmal Gymnastiklehrerin werden wollte. Na, einstweilen dürfte für Gymnastik in unserem Lande kaum Bedarf sein. Wir sind froh um jede Bewegung, die wir nicht zu machen brauchen. Das heißt, die anderen, Hungernden, sind dessen froh. Mich trifft es vorläufig noch nicht, ich bin gut bei Kräften. Die Witwe berührt den neuralgischen Punkt, als sie der Frieda vorschlägt: »Wie ist das, Kindchen, könnten Sie sich nicht irgendeinen halbwegs netten Russen anlachen? Damit der euch ein bißchen Futter bringt?«
    Frieda lächelt töricht und meint, es gebe bei ihnen im Block so gut wie keine Russen mehr, sonst... Und sie kramt die Geschenke zusammen, verstaut sie in der mitgebrachten Einkaufstasche.
    Uns hat dieser Besuch sehr aufgemöbelt. Wir sind also doch nicht abgeschnitten von aller Welt, könnten eine Fußreise in andere Stadtteile zu Freunden und Bekannten riskieren. Seither planen wir immerzu und überlegen, ob wir es wagen sollen. Herr Pauli ist dagegen. Er sieht uns bereits für irgendwelche Zwangsarbeit aufgegriffen und einkassiert, möglicherweise in Richtung Sibirien. Wir pochen auf Frieda, die es ja auch geschafft hat, bohren weiter.
    Weiter, dies schreibe ich am späten Nachmittag. Schon habe ich die erste große Reise hinter mir. Es kam ganz überraschend. Ich hockte auf der Fensterbank, obwohl man auf der Straße nur selten einen Menschen sieht außer Wasserholern und Russen. Da, ein Russe kommt herangeradelt, hält vor unserer Tür – der Major.
    Ich – sogleich treppab gerannt. Ein blitzblankes, neues deutsches Herrenrad. Ich bitte und bettle: »Darf ich ein Stück fahren? Bloß fünf Minuten?« Der Major steht am Bordstein und wiegt das Haupt. Er weiß nicht recht, befürchtet, daß mir das Rad unterwegs gestohlen werden könnte. Schließlich bekam ich ihn herum.
    Sonne. Im Handumdrehen wird es nun warm. Ich trete die Pedale, so schnell ich kann. Wind braust mir in den Ohren. Ich sause, weil es mich glücklich macht nach all der elenden Seßhaftigkeit – und auch, damit mich keiner festhält und mir das Rad klaut. Vorüber an schwarz verbrannten Ruinen. Hier liegt der Krieg einen Tag länger zurück als bei uns. Man sieht bereits Zivilisten, die den Bürgersteig fegen. Zwei Frauen ziehen und schieben einen völlig ausgeglühten Operationswagen, wohl aus Trümmern geholt. Oben darauf liegt eine Greisin

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