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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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Halle. Wir schleppten zu zweit und zu dritt unhandliche Eisenbarren, reichten dann Platten und Stangen durch die Händekette zum Waggon hinaus. Ein Russe tauchte in der Halle auf, musterte die Frauenreihe und winkte dann zweien, einer dritten, mitzukommen. Die dritte war ich. Wir trabten hinter ihm drein. Wohin? Eine von uns mutmaßte: »Vielleicht zum Kartoffelschälen?« Dazu haben sie nämlich schon ein Dutzend Frauen hinüber zum Bahndamm geholt, wo die sinnig mit Gardinen gezierten russischen Wohnwagen stehen.
    Nein, er führte uns anders herum, zu einer Baracke, einen düsteren Gang entlang, in immer dickeren Kotgeruch. Die eine Frau büxte aus, sie rannte einfach zurück, quer übers Gelände. Worauf der Russe uns zwei übriggebliebene vorangehen ließ. Er führte uns in einen Raum mit Steinboden. Man sah einen Waschkessel, Wannen, Waschbretter, Eimer. Darauf wies er hin und machte die Gebärde des Wäschewaschens.
    Na, bitte. Aber nicht hier drinnen in diesem Kabuff! Zusammen mit meiner Zufallsgefährtin, einer Kleinen mit frechen Augen, schleppte ich die größte der Waschbütten hinaus ins Freie, vor die überdachte Barackentür auf eine Art Veranda. Dort fühlten wir uns sicherer, und es stank nicht so. Dem Russen war das recht. Er brachte uns zwei Stücke Kernseife und eine Anzahl ehemals weißer Kittelschürzen, Hemden und Handtücher und befahl uns mit Gebärden, dies Zeug zu säubern. Er sprach kurz angebunden, doch nicht unfreundlich, und betatschte uns in keiner Weise, nicht mal mit den Augen.
    Meine Mitwaschfrau gibt sich als Danzigerin zu erkennen und wechselt mit dem Russen etliche Brocken Polnisch. Um so besser! Da brauche ich nicht zu reden, kann mein Russisch verstecken. Ich mag nicht als Waschfrau mit ihnen palavern.
    Dauernd kommen sie in Gruppen daher, lümmeln sich um die Bütte herum und quatschen über uns. Zum Beispiel stritten sich zweie, wie alt wir wohl seien. Mir gaben sie nach langem Hin und Her 24 Jahre. Nicht schlecht!
    Die Stunden schlichen. Wir seiften, rieben, schleppten Wasser heran, warmes aus dem Truppenkessel, kaltes vom Hydranten an der Straße. Hab mir die Finger wund gerieben an dem verdreckten Zeug. Die Handtücher starrten von Fett. Es waren durchweg deutsche Familientücher mit Monogramm, Beute. Ich bürstete die Sachen mit einer Haarbürste und quälte mich sehr damit ab. Derweil immerfort Russen um uns herum, sie kniffen uns, wo sie uns zu fassen kriegten. Ich schlug aus wie ein Pferd und spritzte sie mit meiner Haarbürste naß, sagte aber keinen Ton. Manchmal kam unser Auftraggeber und jagte die Knutscher weg. Dann brachte er uns einen Stapel Unterhosen; sie haben keine Knöpfe daran, alles ist mit Bändelchen zugebunden.
    Monoton erzählte mir derweil die Danzigerin, wie etliche Iwans ihre alte Mutter zwischengehabt hätten. Die Mutter, schon Großmutter, hat in ihrem Danziger Polnisch gefragt, ob sich die Burschen nicht schämten, eine so alte Frau zu vergewaltigen.
    Worauf sie in Deutsch die klassische Antwort bekam: »Du alt, du gesund.«
    Ich dachte schon, daß ich an der Waschbütte zusammenklappen würde, als unser Chef erschien und die Mittagspause verkündete. Er brachte jeder von uns beiden ein Kochgeschirr voll fetter Suppe, mit Fleischstücken, Gurken und Lorbeer darin, dazu einen Blechteller voll Erbsenbrei mit ausgelassenem Speck. Es scheint, daß unser Chef Koch ist, und ein guter obendrein. Das Essen schmeckte prächtig. Ich spürte ordentlich, wie mir neue Kräfte zuwuchsen.
    Wir wuschen weiter, endlos. Zwei Uhr nachmittags, drei Uhr, vier Uhr, fünf Uhr, sechs Uhr. Wir wuschen pausenlos, waren pausenlos unter Aufsicht. Wir seiften, wrangen, schleppten Wasser. Die Füße schmerzten, längst waren die Handknöchel durchgerieben. Die Russen ringsum glaubten, daß sie uns mit dieser Wäscherei einen großen Tort antun. Sie rieben sich schadenfroh die Hände:
    »Hihi, waschen müßt ihr für uns, das geschieht euch recht!« Die Danzigerin griente bloß. Ich markierte taubstumm, lächelte nach allen Seiten und wusch, wusch. Die Kerle wunderten sich. Ich hörte, wie einer zum anderen sagte: »Die arbeiten gut. Und immer lustig.«
    Wir zogen die letzten Handtücher bis 18 Uhr hin, säuberten unsere Waschbütten und wanderten hinüber zur Kantine, wo es einen Schlag Grütze für alle gab. Hernach, als wir mit den anderen Frauen heimgehen wollten, jagte man uns am Tor zurück: »Rabotta!« Die Frauen schrien durcheinander, drängten zum Tor, meuterten.

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