Eine Frau mit Geheimnis
könnte ich so tanzen … Nach ihrem Tod gab es niemanden, der mir das Tanzen beigebracht hätte. Deshalb lernte ich es nicht.“
„Sicher können Sie tanzen, Alexej Iwanowitsch. Obwohl Sie schon einmal das Gegenteil behauptet haben …“
Als die tiefe Stimme des Duke hinter ihr erklang, zuckte sie zusammen. In ihre Erinnerungen versunken, hatte sie seine Schritte nicht gehört. Und jetzt errötete sie, so wie immer in seiner Nähe. Sein maskuliner Geruch verwirrte ihr die Sinne, eine süße Schwäche erfasste den ganzen Körper. Dagegen musste sie ankämpfen – sie war ein Husar!
„Angesichts meiner Tanzkünste würden Sie in schallendes Hohngelächter ausbrechen, Sir.“
„Also werden Sie den Maskenball morgen Abend nicht besuchen?“
Alex schüttelte den Kopf. Eine Lüge – nur eine belanglose. Und Hauptmann Alexandrow würde tatsächlich nicht auf dem Ball erscheinen, sondern eine Dame namens Miss Alexandra Mc Gregor aus Schottland.
„Schade, das wird sicher ein sehr amüsanter Abend. Selbst wenn ich Sie nicht tanzen sehe, Alexej Iwanowitsch.“
„Mach dich nicht lustig über den armen Jungen“, mahnte Miss Penworthy.
In diesem Moment erschien der Butler und verkündete: „Euer Gnaden, das Dinner ist angerichtet!“
Die Herzoginwitwe eilte herbei. „Hauptmann Alexandrow, wären Sie so freundlich, Miss Penworthy zur Tafel zu geleiten? An Ihrer anderen Seite wird Lady Malcolm sitzen, die ausgezeichnet Französisch spricht.“
„Sorg dich nicht, Mama“, bat Calder lächelnd. „So erstaunlich es klingen mag, du schickst Alexandrow nicht in die Höhle des Löwen, denn Tante Harriet hat beschlossen, den jungen Mann unter ihre Fittiche zu nehmen.“
9. KAPITEL
Am Tag des Maskenballs erwachte Alex mit heftigen Kopfschmerzen. Das verstand sie nicht. Sie trank niemals so viel, dass sie einen Brummschädel riskieren würde, und der vergangene Abend hatte keine Ausnahme gebildet.
Oder fühlte sie sich so elend, weil sie die Tortur fürchtete, die ihr bevorstand?
Bald vertrieb ihr gewohnter Morgenritt durch den Park die bangen Gedanken. Für den heutigen Tag zeigte sie sich zum letzten Mal als Mann, denn es gab viel zu tun. Nach dem Frühstück ermahnte sie ihre Kameraden, sie nicht zu stören, weil sie ihre Vorbereitungen für den Ball allein treffen müsse.
Immer wieder ging sie in den Unterröcken und den neuen Schuhen durch ihr Zimmer. Wie sich eine Dame bewegte, wusste sie. Das hatten ihr die Mutter und später Meg, die schottische Kinderfrau, eingetrichtert. Doch sie war aus der Übung gekommen. Jahrelang hatte sie keine Röcke getragen, abgesehen von jenem Auftritt als russische Bäuerin im Lager der Franzosen, und die Stofffülle, die um ihre Beine flatterte, fühlte sich seltsam an.
Am schlimmsten fand sie die nackte Haut zwischen der Taille und den oberen Rändern der Seidenstrümpfe. Neuerdings trugen viele Damen Unterhosen. Aber Alex hatte nicht daran gedacht, Petrow zu beauftragen, er möge eine kaufen. Jetzt war es zu spät. Außerdem würde er über ein solches Ansinnen lachen und ihr empfehlen, ihre Reithose anzuziehen. Unvorstellbar … Womöglich würden im Ballsaal ihre Röcke flattern und alle Leute würden sehen, dass Miss Alexandra Mc Gregor unter ihrem Kleid Männerbreeches trug.
Der Duke of Calder würde den Ball besuchen. Das hatte er am letzten Abend angekündigt, und Alex beschloss ihn zu beeindrucken. Ein gefährliches Unterfangen … Und wenn schon? In ein paar Stunden würde sie London verlassen. Und sie wollte nur ein einziges Mal als Frau mit ihm zusammen sein – und herausfinden, ob er sie ebenso attraktiv fand wie sie ihn. Wenn sie tanzten, würde sie ihn berühren, ohne in Verlegenheit zu geraten. In der Rolle eines Mannes durfte sie sich das nicht gestatten. Vielleicht würde sie sogar mit ihm flirten. So etwas hatte sie noch nie getan, aber viele russische Damen beobachtet, die auf Bällen oder Festen kokettierten. Daran erinnerte sie sich sehr gut.
Ach ja, ihr Fächer … Sie griff danach, entfaltete ihn und trat vor den Spiegel, um einige Gesten zu üben. Möglichst graziös hob sie ihn vor ihr Gesicht, bis er nur die Augen freiließ. Dann bewegte sie ihn hin und her, als würde sie jemanden heranwinken. Oh, das wirkte sehr verführerisch – insbesondere, wenn ihre Augen vor lauter Liebe zu einem ganz bestimmten Gentleman strahlten.
Würde er erraten, was sie empfand?
Sobald sie sich das fragte, pochte ihr Herz schneller. Bei dieser Begegnung musste
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