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Eine Frau mit Geheimnis

Eine Frau mit Geheimnis

Titel: Eine Frau mit Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JOANNA MAITLAND
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vollbringen, Madame. Ich habe einfach nur einem verwundeten Offizier mein Pferd geliehen.“ Niemals würde sie sich von der alten Dame dazu verleiten lassen, mit ihren Leistungen zu prahlen.
    „Hm … Ganz so einfach war’s sicher nicht. Ein gemeiner Soldat, eh? Also, das ist interessant. Wieso erwirbt ein gemeiner Soldat im russischen Heer ein Offizierspatent? Und nach Ihrer Sprechweise zu schließen, können Sie kein gemeiner Soldat gewesen sein.“
    „Danke, Madame“, antwortete Alex leise und verneigte sich.
    „Nun?“ Miss Penworthy klopfte mit ihrem Lorgnon auf Alex’ Brust. „Erklären Sie mir das, Monsieur. Oder erwarten Sie etwa, ich würde diese Geschichte akzeptieren, ohne nach Einzelheiten zu fragen?“ Plötzlich klang ihr Französisch nicht mehr zögernd.
    Nun wurde es auch der Duchess zu viel. Ebenso wie ihr Sohn ergriff sie die Flucht und lieferte Alex einem gnadenlosen Verhör aus.
    In den Augen der kleinen alten Frau erschien ein boshaftes Glitzern. Offenbar genoss sie das Wortgefecht. Auch Alex erwärmte sich für die Diskussion. „Gewiss erwarten Sie nicht von mir, ich würde mit meinen Erfolgen prahlen, Madame. So wie Sie Lord Jack Manieren beibrachten, wurde auch ich von meinen Eltern gut erzogen. Jeder Soldat erhält das Georgskreuz, wenn er das Leben eines Offiziers gerettet hat – ganz egal, unter welch banalen Umständen.“
    „Damit haben Sie mir Ihr Offizierspatent nicht erklärt, Monsieur.“
    „Ich verdanke es Seiner Kaiserlichen Majestät, dem Zaren Alexander.“
    „Das glaube ich Ihnen nicht. Wenn Sie ein Aristokrat sind, der das Offizierspatent verdient hätte – warum waren Sie vorher ein gemeiner Soldat? Klingt ziemlich verdächtig.“
    „Wie scharfsinnig Sie sind, Madame …“, begann Alex – bereit, die Geschichte zu wiederholen, die sie sich für solche Situationen ausgedacht hatte.
    Die Stirn gerunzelt, winkte Miss Penworthy mit ihrem Lorgnon ab. Aber ihre Augen glänzten noch intensiver, und sie schien sich köstlich zu amüsieren. In vollen Zügen genoss sie die Prüfung, die sie Alex unterzog.
    „Um die Wahrheit zu gestehen – mein Vater wünschte nicht, dass ich mich dem Heer anschloss. Deshalb rannte ich davon und trat als gemeiner Soldat der Kavallerie bei.“
    „Unter falschem Namen, nehme ich an? So war das damals, zu meiner Zeit.“ Plötzlich nahm ihre Stimme einen sanfteren Klang an, und sie schien an jemanden zu denken, den sie vor langer Zeit gekannt hatte.
    „In der Tat, Madame“, bestätigte Alex lächelnd, „ich nannte mich Borisow.“
    „Aber Sie sind ein Aristokrat. Wie konnten Sie das Leben eines einfachen Soldaten ertragen?“
    „Oh, das fiel mir nicht schwer. Meine Kameraden standen mir bei. Außerdem kämpften wir für unseren Zaren und unser Land. Dafür nahmen wir all die Mühsal gern in Kauf.“
    „Sehr lobenswert. Aber wieso Sie Ihr Offizierspatent erhalten haben, weiß ich noch immer nicht.“
    „Um im russischen Heer zum Offizier befördert zu werden, braucht man den schriftlichen Nachweis einer adeligen Abstammung. Die besaß ich nicht. Seine Kaiserliche Majestät hatte von meiner Familie erfahren, wer ich bin. Und so bot er mir das Patent an.“
    „Ah, ich verstehe. Also haben Ihre Eltern herausgefunden, wo Sie sich aufhielten.“
    „Ja, Madame. Und bevor Sie danach fragen – ich gebe zu, wie tief ich es bedaure, dass ich meinem Vater mit meiner Flucht Kummer bereitet habe. Aber ich hatte keine Wahl, da er kein Verständnis für meinen Wunsch aufbrachte, einem Husarenregiment anzugehören.“
    „Also wirklich, diese jungen Leute … Und Ihre Mutter? Sicher haben Sie auch ihr Herz gebrochen. Warum erwähnen Sie das nicht? Wenn Jack so etwas tun würde, seine Mutter …“
    „Meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war, Madame“, erklärte Alex.
    Damit brachte sie Miss Penworthy aus dem Konzept. Aber nur für wenige Sekunden. „Erzählen Sie mir von ihr.“ Jetzt lächelte sie ermutigend. Ein verständnisvolles Lächeln, das Alex an ihre Mutter erinnerte.
    Schon lange hatte sie nicht mehr von ihrer Mutter gesprochen. Warum sollte sie jetzt zögern? Wenn diese alte Dame auch eine spitze Zunge besaß – in ihrer Brust schlug ein weiches Herz. „Sie hieß Anna. Und ich wünschte, ich könnte mich besser an sie erinnern.“
    „Wie war sie denn?“
    „Sehr schön, mit dunkelrotem Haar und strahlend blauen Augen. Und ihr Parfüm roch einzigartig. Sie tanzte so anmutig wie die beste Petersburger Ballerina. Niemals

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