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Eine Frau mit Geheimnis

Eine Frau mit Geheimnis

Titel: Eine Frau mit Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JOANNA MAITLAND
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Blick durch den Saal schweifen, wie ein Soldat, der das Terrain eines Schlachtfelds sondierte. Niemand erschien ihr so groß wie Calder.
    Langsam ging sie durch den Korridor und spähte in alle Empfangsräume. In den meisten sah sie Gäste, die sich angeregt unterhielten, und in der dunklen Ecke eines kleineres Zimmers küssten sich ein junger Mann und ein Mädchen, die Masken in den Händen. Die intime Szene trieb Alex heiße Röte in die Wangen. Hastig zog sie sich zurück und hoffte, die beiden hätten sie nicht gesehen.
    Der angrenzende Raum war erstaunlicherweise menschenleer. Zwischen exotischen Topfpflanzen standen komfortable, mit hellgrünem Satin bespannte Sofas. Hier war es angenehm kühl und erfrischend, im Gegensatz zu den anderen Gemächern. Alex beschloss, sich eine Weile auszuruhen und die intensiven Gefühle zu überwinden, die der Anblick des Liebespaars geweckt hatte. Danach würde sie ihre Suche fortsetzen. Sie sank auf einen Diwan und ordnete die Falten ihres Kleids.
    Seufzend nahm sie die Maske ab und ließ sie auf ihren Schoß fallen, lehnte sich zurück und schloss die Augen. In der duftenden Luft bewegte sie langsam ihren Fächer hin und her. Welch eine wunderbare Erholung …
    „Ah, eine willkommene Oase!“, drang eine Männerstimme von der Tür her.
    „Du bist selber schuld, wenn du schwitzt, Leo. Habe ich dich nicht vor diesem Kostüm mit der dicken Polsterung gewarnt?“
    Unverwechselbar … Alex würde Calders Stimme überall erkennen. Und sein Bruder begleitete ihn, Lord Leo. Was sollte sie tun? Gewiss, sie wollte mit dem Duke sprechen. Aber sie schreckte vor einer Begegnung mit zwei Aikenheads zurück, das wäre zu gefährlich.
    In ihrer Verwirrung zögerte sie zu lange. Für eine Flucht war es zu spät. Und so saß sie einfach nur da, die Augen geschlossen. Wenn sie eintraten und eine Dame antrafen, die sich allein hier befand – wären sie höflich genug, das Feld zu räumen?
    „Nimm Platz, Leo. Soll ich dir eine Erfrischung …? Oh, verzeihen Sie, Madam. Wir haben Sie nicht gesehen. Natürlich möchten wir Sie nicht stören. Komm, Leo, gehen wir woandershin.“
    Ohne die Augen zu öffnen, tastete sie nach ihrer Maske und setzte sie rasch auf. Sie spürte, dass Calder vor ihr stand. Sobald sie ihn anschaute, würde sie unweigerlich erröten. Und wenn sie ihn nicht sah, würde ihr eine Antwort leichter fallen. „Bitte, machen Sie sich meinetwegen keine Umstände, Gentlemen“, betonte sie und verbarg ihre untere Gesichtshälfte hinter dem Fächer. „So wie Sie fand ich die anderen Räume zu warm. Und da entdeckte ich diese Zufluchtsstätte.“
    „Eine Schottin, wenn ich mich nicht irre“, sagte Leo.
    Nun öffnete sie die Augen. Lord Leo, in einer gepolsterten braunen Samtweste und Kniehosen, war fast so breit wie hoch. Seine üppige Halskrause wirkte ziemlich eng und unbequem, eine schwarze Maske verdeckte seine Nase, den Mund und das Kinn. In einer Hand hielt er einen Hut mit hoher Krone, breiter Krempe und einer goldenen Feder.
    „Sir John Falstaff, nehme ich an?“, fragte Alex.
    Möglichst formvollendet versuchte er sich zu verbeugen, was ihm in seinem unkomfortablen Kostüm gründlich misslang, und er stolperte beinahe.
    „So ist es, Madam“, bestätigte der Duke. „Leider hat er ein kleines Problem mit seiner Leibesfülle.“
    Alex hob wieder ihren Fächer, um ihre Belustigung zu verbergen. In Gesellschaft durften Damen nicht lachen. Das hatte ihr die Stiefmutter eingebläut.
    Erst jetzt wagte sie den Duke zu betrachten. Als Korsar verkleidet, sah er großartig aus – in einem weißen Hemd mit Spitzenborten am Kragen und den Manschetten, schwarzen Breeches, die in kniehohen Stiefeln steckten, und einer leuchtend roten Schärpe, von einer Schulter bis zur Taille. An der linken Seite steckte ein Säbel mit goldenem Griff im Gürtel, an der rechten ein passender Dolch. Über dem dunklen Haar saßen eine schwarze Lockenperücke und ein Dreispitz. Wie sein Bruder trug er eine Maske, die den Großteil seines Gesichts verbarg. Trotzdem fiel es Alex nicht schwer, ihn zu erkennen. Von diesem Korsaren würde sie sich nur zu gern entführen lassen.
    Er wies auf ihr Sofa und verneigte sich mit einer Eleganz, die seinem Bruder gefehlt hatte. „Erlauben Sie, Madam?“
    Weil ihr der Atem stockte, brachte sie kein Wort hervor und nickte nur. Mit einer bebenden Hand bedeutete sie ihm, Platz zu nehmen.
    „Leo, dein Gesicht ist feuerrot. Sicher ist dir furchtbar heiß. Da du dein

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