Eine Frau mit Geheimnis
gehörte, würde er ein Kostüm tragen. Aber welches? Jedenfalls würde er, ebenso wie sie selbst, maskiert sein. Wie sollte sie jemals hoffen, ihn aufzuspüren?
Ein hochgewachsener, als Türke verkleideter Mann fiel ihr auf. Natürlich, Calder würde überall aus der Masse herausragen, weil er überdurchschnittlich groß war. Würde er die Uniform eines türkischen Soldaten wählen?
„Tatsächlich, Alexandrow“, drang eine leise russische Stimme an ihr Ohr, „eine grandiose Maskerade. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich schwören, du wärst ein Mädchen.“
Die Stirn gerunzelt, drehte sie sich um und erblickte Petrow, von zwei jungen Kavallerieoffizieren begleitet. Trotz der Masken waren sie dank ihrer Uniformen leicht zu erkennen. Alle drei grinsten sie an.
Also hatte sie die erste Prüfung bestanden. „Meine Herren …“, begann sie auf Französisch und knickste anmutig. „Freut mich, euch wiederzusehen. Und in so interessanten Kostümen! Dafür müsst ihr Unsummen bezahlt haben.“
„Da wir so viel Geld für deine Verkleidung ausgeben mussten, konnten wir uns nichts anderes leisten“, murmelte Petrow, immer noch auf Russisch. Aber ich glaube, die Investition wird sich lohnen. Niemand wird herausfinden, wer du wirklich bist.“
„Hoffentlich hast du recht.“
„Falls du in Schwierigkeiten gerätst, wende dich an uns, wir helfen dir. Bis zum Souper werden wir im Spielsalon sitzen.“
Das hätte sie sich denken können. „Dann wünsche ich euch viel Erfolg an den Spieltischen. Und jetzt entschuldigt mich bitte, man sollte uns nicht zusammen sehen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, winkte sie den Offizieren zu und drängte sich durch die Menschenmenge.
Der Mann im türkischen Kostüm plauderte mit einer kleinen, als Nonne verkleideten Frau. Nun verstand Alex nicht mehr, wieso sie ihn für Calder gehalten hatte. Trotz der Maske sah sie, dass er gröbere Gesichtszüge besaß. Und er war nicht annähernd so breitschultrig.
Nicht weit von der Nonne entfernt stand ein Mann in einem blauen Domino-Kostüm und beobachtete die Ereignisse. Alex beschloss, in einem Gespräch mit diesem Mann ihre englischen Sprachkenntnisse zu erproben. Auf keinen Fall durfte der Duke der Erste sein, mit dem sie sich unterhalten würde. „Guten Abend, Sir“, grüßte sie und fächelte sich Kühlung zu. „Verzeihen Sie, in diesem riesigen Haus finde ich mich nicht zurecht. Würden Sie mir erklären, wo getanzt wird?“
Lächelnd beschrieb er ihr den Weg. „Auch im Garten spielen zwei Kapellen, Ma’am. Wenn ich Ihnen empfehlen darf, hinauszugehen – es ist so romantisch, mit einem netten Kavalier unter den Sternen zu tanzen. Insbesondere, wenn Sie ein abgeschiedenes Plätzchen finden, wo Sie mit ihm allein wären.“
Alex errötete unter ihrer Schminke. Wie gern würde sie diesen Rat befolgen, zusammen mit Calder …
Hastig verdrängte sie die verlockende Vision, denn sie musste ihn erst einmal finden. „Vielen Dank, Sir, das werde ich tun.“
„Gern geschehen, Ma’am. Wie wundervoll, dass Sie eigens aus Schottland hierher gereist sind, um an unserem kleinen Fest teilzunehmen! Viel Vergnügen. Und vielleicht begegnen wir uns eines Tages wieder, ohne Masken.“
O Gott, er flirtete mit ihr! Als wäre sie eine attraktive Frau! Unglaublich … Sie hielt ihren Fächer vor den Mund und zwang sich zu einem mädchenhaften Kichern. „Ah, dann müssten Sie mich erkennen, Sir, und das werde ich Ihnen nicht so leicht machen“, flötete sie.
Von seinem Interesse ermutigt, schloss sie den Fächer und eilte in den Korridor, den er ihr gezeigt hatte. Ein noch wichtigerer Triumph – er hatte ihren schottischen Akzent bemerkt, keinen ausländischen. Also würde man sie trotz der mangelnden Praxis, was ihre englischen Sprachkenntnisse betraf, für eine Einheimische halten.
Zahllose Paare tanzten im Ballsaal Walzer. In seiner Galauniform unverkennbar, wirbelte der Zar mit einer Dame umher, die wie Lady Jersey aussah. Das war nicht verwunderlich, denn ganz London hatte bemerkt, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte.
Obwohl Alex keine gute Tänzerin war, wusste sie, wie man Walzer tanzte. Als Frau. Ihre Stiefmutter hatte darauf bestanden, dass sie alle Tänze erlernte, die am Zarenhof bevorzugt wurden. Träumerisch beobachtete sie Seine Majestät. So himmlisch musste es sein, sich im Arm eines eleganten Mannes zu wiegen …
Im Arm des Mannes, den sie liebte.
War er überhaupt hier? Systematisch ließ sie ihren
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