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Eine Frau sein ist kein Sport

Eine Frau sein ist kein Sport

Titel: Eine Frau sein ist kein Sport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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Beschwichtigungssatz: »Aber geh, wenn das wär’, hätt’ man uns doch verständigt!« Ganz glaubt das die Mama nicht, aber Trost ist das doch ein bisschen. Eine Mutter kenne ich allerdings, die hat keinen Briefkummer mit ihrem Sohn. Die Frau sorgt aber auch vor! Fährt der Sohn – zum Beispiel – nach England, besorgt sie sich englische Briefmarken, klebt sie auf Postkarten, versieht diese mit ihrer Adresse und dem Satz: Es geht mir gut/schlecht. Eins der letzten zwei Worte durchzustreichen und die Karte in den Postkasten zu werfen, schafft das Kind!
»Grosses Mutterleid« zum Beruf gemacht
    Eine weibliche Person, die ich seit langem kenne und manchmal, meistens beim Einkaufen, treffe, beschwert sich gern und ausführlich bei mir über ihre Kinder. Sie hat zwei Stück, eines männlich, eines weiblich, beide in den besten Aufzuchtsjahren, so genannte »Teens«.
    Seit Jahren, immer wenn wir aufeinander stoßen, erklärt mir diese Person, wie sehr sie unter ihrem Nachwuchs leide, weil der nur bei unerhört lauter Musik lebe.
    Sie jammert: »Kaum sind sie bei der Tür reingekommen, drehen sie das Radio an! Dass es auch einen Knopf zum Abdrehen hat, wissen sie gar nicht! Und die ewigen CDs! Und der verdammte Recorder! Es ist einfach nicht auszuhalten. Ins eine Ohr säuselt mir der Disco-Sound, ins andere zischt müder Hardrock und die Bässe wummern mir auf die Brust, als ob ich Herzflattern hätte!«
    Wenn mir die Person ihren Gram vorträgt, fühle ich mit ihr, denn auch ich habe sensible Ohren, die den musikalischen Alltagswohnheiten der Menschen, mit denen ich hause, oft nicht gewachsen sind, und weiß, wie höllisch einem zumute wird, wenn man im Schnittpunkt von drei üppig fließenden Musikquellen hockt und tiefe Gedanken fassen soll.
    Heute traf ich die weibliche Person wieder. Am Markt, bei einem Standl, befingerte sie Salat auf die Festigkeit ihrer Herzen hin und auf meine Frage, wie es denn so gehe, seufzte sie gequält und legte dann los: Nicht auszuhalten sei es mit dem Nachwuchs und der Musik! So was von Irrsinn und nervtötendem Wahnsinn sei familienzerstörend!
    Weil ich immer detailliert wissen will, an was meine Mitmenschen leiden, fragte ich: »Spielen die Ihren jetzt auch dauernd diese verdammte blümchenblaue New wave, dieses einfallslose Gedudel?«
    Da rief die weibliche Person empört: »Woher soll ich denn das wissen? Sie haben doch diese entsetzlichen Dinger auf der Brust und über den Ohren! Zugestoppelt und unansprechbar gehen sie durch die Wohnung. Sogar aufs Klo gehen sie damit! Zum Wahnsinnigwerden ist das! Verboten gehörten diese Walk-Männer!«
    Daraus lässt sich eigentlich nur eines schließen: Eine gewisse Sorte von Müttern hat das Unter-Kindern-Leiden zu ihrer Lieblingsbeschäftigung erklärt. Man leidet unter lauten Kindern – und werden die Kinder leise, leidet man eben unter leisen Kindern. Wer das »große Mutterleid« zu einem Beruf gemacht hat, findet immer Arbeit.
Kindern kann man nichts vormachen
    Eltern, das weiß jeder, sollen ihre Kinder nicht nur anleiten und ermahnen und ihnen theoretisch darlegen, wie man anständig und ehrenwert zu leben hat, sie sollen ihnen als gutes Beispiel Sitte, Anstand und Moral vorleben.
    Die meisten Eltern sind auch sehr überzeugt davon, dass sie dies wirklich tun und ein Leben führen, das ihren Kindern als Vorbild dienen kann.
    Hört man sich allerdings in Kinderkreisen ein bisschen um, erfährt man allerhand, was diese schöne Erwachsenenmeinung nur allzu rasch als trügerische Selbstgerechtigkeit entlarvt.
    Total naiv und unschuldig sagt mir da etwa ein fünfjähriger Knirps: »Am Sonntag kostet die Zeitung nur zehn Cent, aber ganz ohne Geld darf man sie nicht nehmen, weil die anderen sehen müssen, dass man etwas reinwirft!«
    Ein gleichaltriges Mädchen teilt mir strahlend mit: »Meine Tante mögen wir nicht, aber wir müssen lieb zu ihr sein, weil sie uns immer Geld borgt!«
    Von Kindern kann man auch hören, dass der Papa eine Freundin hat, dass die Mama den Opa nicht im Altersheim besuchen mag, dass der Papa die Mama nicht mehr liebhat, weil sie soviel schimpft, und dass es nicht schön von der Oma ist, auf Urlaub nach Mallorca zu fliegen, weil der Papa das Geld für die Autoreparatur brauchen könnte.
    So ziemlich alles, was mies und billig ist, kann man von manchen Kindern hören, wenn sie aus ihrer »Eltern-Schule« plaudern.
    Da ich nicht nur diese Kinder, sondern auch deren Eltern kenne, weiß ich, dass diese Eltern vor

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