Eine Frau sein ist kein Sport
im Beruf. (Für den Teppichboden fällt mir allerdings kein positives Gegenargument ein.)
Schaut man sich das Leben der Menschen näher an, die stets so vernünftig sind, sich nie etwas »anzutun«, kommt man wirklich nicht zu dem Schluss, dass diese Menschen wesentlich glücklicher wären als wir, die wir uns stets irgendetwas »antun«. Das sind nämlich die Leute, die aus Angst vor Misserfolg, Belastung, Enttäuschung und Verantwortung nie etwas wagen. Sie leben nach der Devise: Nur nichts tun, was schief gehen könnte! Sie leben – sozusagen – auf Sparflamme.
Eine Sparflamme bewahrt ganz gewiss vor dem Erfrieren, aber so richtig wärmen kann man sich an ihr nicht. Wenn man es richtig warm haben will im Leben, dann muss man sich eben hin und wieder ein etwas größeres Feuer »antun«; selbst auf die Gefahr hin, dass man sich dabei einen oder auch gleich mehrere Finger verbrennen könnte. Aber:
Besser ein paar Brandblasen, die wieder verheilen, als ein ganzes Leben lang kalte Finger.
Die Verkopften
Wir alle, dozierte unlängst wieder einmal ein würdiger, weißhaariger Herr im Fernsehen, seien zu sehr »verkopft«!
Mit dieser unschönen Wortschöpfung wollte er sagen, dass wir alle viel zu sehr unserem Denken und viel zu wenig unseren Gefühlen vertrauen.
Immer, wenn würdige Herren, ob weißhaarig oder glatzköpfig, solches und Ähnliches kundtun, wird ihnen allerorten eifrig nickend zugestimmt. Mehr Gefühl muss her!
Ich kann da leider nicht mitnicken. Ganz im Gegenteil: Ich habe sogar Angst vor den Gefühlen.
So ungemein »verkopft« kommen mir meine lieben Mitmenschen nämlich gar nicht vor. Wo ich mich umschaue, wird doch viel eher »verbaucht« agiert und reagiert, hat nicht die Vernunft, sondern das Gefühl die Oberhand.
Geschieht irgendwo wieder einmal ein grausamer Mord, etwa noch an einem kleinen Kind, so steigt die Anzahl der Menschen, die für die Todesstrafe sind, sofort rapide an.
»Aufgehängt gehört die Bestie!«, heißt es dann. Aber berichten die Zeitungen ein paar Wochen lang von keiner »bestialischen Bluttat«, sinkt die Anzahl der Befürworter der Todesstrafe wieder auf ein erträgliches Maß ab.
Das kann kaum etwas mit vernünftigem Denken, muss aber sehr viel mit spontanem Fühlen zu tun haben. Und wenn der Antisemitismus, ansonsten sorgsam unter einer dicken Tuchent verborgen, wieder einmal überall übel zu riechen ist, hat wohl auch nicht böses Denken, sondern böse Emotion die Tuchent gelüpft. Vernunft hat noch niemand dazu gebracht, »Saujud« zu sagen.
Mit dem Fremdenhass, ob er sich nun gegen Gastarbeiter, Schwarze oder sonst wie »Andere« und »Fremde« richtet, ist es ebenso. »Neger stinken«, sagt die Mali-Tant, ohne daran zu denken, dass sie das gar nicht wissen kann, weil sie noch nie in der Lage war, einen zu beschnuppern. Überall begegne ich Vorurteilen, die aus Emotionen entstanden sind, und keinen Urteilen, zu denen das Denken gebracht hat. Das Denken hat einen großen Vorteil: Zum Denken gehört nämlich, dass man einen Gedanken auch bezweifeln kann und dadurch erkennen kann, dass man sich geirrt hat. Aber: Ich fühle, dass ich falsch fühle, das kann man nicht fühlen. Seine falschen und irrigen Gefühle, aus denen Vorurteile entstehen, die anderen Menschen viel Unglück bringen, kann man nur durch das Denken korrigieren.
Aber es ist eben wesentlich bequemer, auf den »Kopf zu schimpfen, als ihn mühsam denken zu lassen.
Anderer Leute Probleme
Es gibt Leute, die schlagen sich heftig mit ihren eigenen Problemen herum, und es gibt Leute, die schlagen sich heftig mit anderer Leute Problemen herum. Die erste Sorte von Menschen braucht man nie zu fragen, wie es ihnen denn so gehe, sie erzählen es einem ungefragt und ausführlich und weitschweifig.
Die zweite Sorte von Menschen kann man zwar fragen, wie es ihnen denn so gehe, man erfährt es aber nie. Man erfährt von ihnen bloß, wie es ihren Kindern, ihrem Ehemann, ihren Verwandten, ihren Freunden, ihren Nachbarn und ihren Kollegen geht. Meistens geht es denen schlecht.
Ich kenne Menschen, die mir – und dies seit Jahrzehnten – immer nur von Problemen anderer Menschen erzählen, in die sie verwickelt sind, die sie – voll des Mitleids und der Anteilnahme – zu lösen oder wenigstens zu mildern versuchen.
Sie führen Nachbars Hansi zum Schulpsychologen, sie kochen für Großtante Emma und transportieren das Gekochte zweimal täglich quer durch die Stadt, sie treffen sich mit zerstrittenen
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