Eine Frau sein ist kein Sport
Schauspiel ab.
SIE fängt an: »Da muss ich euch erzählen, wie wir uns in Kritzendorf gesonnt haben. Ein schöner Sonntag war’s ...«
Und während sie Luft holt, fällt ER ein: »Nein, ein Montag war’s, Pfingstmontag, um genau zu sein, und wir wollten eigentlich gar nicht nach Kritzendorf, sondern ...«
»Jetzt fang bloß nicht wieder bei Adam und Eva an«, unterbricht SIE ihn ungehalten, »das hat doch für die ganze Geschichte überhaupt keine Bedeutung!«
»Doch!«, sagt ER. »Sonst versteht man ja nicht, warum wir kein Badezeug mithatten!«
»Okay, okay«, seufzt SIE. »Wir wollten also zu seinem Onkel, aber der war nicht daheim, und weil die Sonne so schön geschienen hat, sind wir ans Donauufer, weit und breit war kein Mensch, und da ist uns die Idee gekommen, wir ziehen uns aus und sonnen uns.«
»Dir ist die Idee gekommen, ich war eh dagegen!«, ruft ER.
»Darf ich vielleicht MEINE Geschichte allein zu Ende erzählen?«, fragt SIE giftig.
»Wieso DEINE Geschichte!«, ruft ER entrüstet. »Schließlich bin ICH zuletzt nackert ohne Kleider dagestanden!«
»Na bestens!«, sagt SIE. »Jetzt hast DU wieder einmal die Pointe kaputtgemacht.«
Und dann schweigt SIE erbittert, ER schweigt auch erbittert, und die anderen fragen: »Wo sind denn die Kleider hingekommen?« Aber sie erfahren nicht mehr, dass seine Kleider die Donau hinuntergeschwommen sind, denn SIE & ER schweigen stur.
Und falls ER & SIE doch noch etwas sagen an diesem geselligen Abend, dann bloß noch, dass es leider ganz und gar unmöglich ist, im Beisein des Ehepartners eine Geschichte zu erzählen. Womit sie beide einwandfrei Recht haben.
Menschenkenntnis
Neulich saß ich in München auf dem Flugplatz und wartete darauf, endlich in die Maschine nach Wien einsteigen zu dürfen. Meine Zeitung hatte ich schon gelesen, Buch hatte ich keines mit, also machte ich mir Gedanken. Ich schaute mir die Leute an, die gemeinsam mit mir warteten, und überlegte mir, wer die wohl sein könnten. Das Äußere einer Person sagt ja schließlich eine Menge aus! Allein schon die Kleidung spricht Bände. Und die Gesichter verraten den Rest, denn das Leben, das einer führt, prägt seine Züge.
In der Hauptsache waren es Männer, die um mich herumsaßen. Bei Linienflügen, außerhalb der Tourismus-Hochsaison, ist das immer so.
Die Männer hatten beige Trenchcoats an und graue Anzüge darunter. Und Aktenköfferchen der allerfeinsten Sorte hatten die meisten der Herren auf den Knien. Etliche der Aktenköfferchen standen offen. Das, was man so »Unterlagen« nennt, befand sich in ihnen.
Die Aktenköfferchen-Herren, sagte ich mir, sind also seriöse Geschäftsmänner der gehobenen Mittelklasse. Wären sie »gehobener« als Mittelklasse, würden sie im Warteraum für Erste-Klasse-Gäste sitzen. Doch sosehr ich mich auch plagte, zu den Aktenköfferchen-Männern wollte mir nicht mehr einfallen. Kein Hauch von Privatleben war in ihren Gesichtern.
Aber ein paar Frauen waren ja auch noch da! Und die belebten, zumindestens was ihr »Outfit« betraf, die triste Trenchcoat-Köfferchen-Monotonie. Und bei Frauen kenne ich mich schließlich weit besser aus!
Die Frau zum Beispiel, die mir gegenübersaß, die war eindeutig ein liebes Hausmütterchen. So an die fünfzig Jahre musste sie sein. Das Westerl, das sie unter dem Mantel trug, hatte sie garantiert selbst gehäkelt. Und im üppigen Handgepäck, das sie mit sich führte, waren sicher Mitbringsel für ihre Enkel. Vielleicht sogar ein Nussstrudel, ein selbst gebackener. Der Sohn oder die Tochter vom Hausmütterchen hatte nach Wien geheiratet. So musste das sein! Und nun besuchte das Hausmütterchen den Sohn oder die Tochter zweimal im Jahr.
Und die wunderschöne junge Frau, die in der »Vogue« blätterte, die war – unter Garantie – ein Fotomodell. So was von perfektem Make-up und topmodischer Kleidung hat man nur, wenn man zur Modebranche gehört! Und einen Haushalt hatte diese wunderschöne junge Frau auf gar keinen Fall zu führen. Das sah man an den Fingernägeln. Die waren echte Luxusnägel. Brandrot ragten sie mehr als einen Zentimeter über die Fingerkuppen hinaus. Mit solchen Nägeln kann man weder putzen noch Teig kneten noch sonst eine Hausarbeit erledigen!
Das Hausmütterchen wurde in Wien von einem älteren Herrn in Empfang genommen. Deutlich hörte ich ihn sagen: »Küss die Hand, Frau Professor!« Auf das Fotomodell stürmten zwei kleine Kinder zu und brüllten: »Mama, Mama!«
Hauptsache, man
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