Eine Frau sein ist kein Sport
Ehepaaren zum Dreier-Gespräch und begleiten, so das Gespräch keine harmonisierenden Früchte trägt, den einen Ehepartner zum Scheidungsanwalt. Sie verborgen Geld, das sie sich vorher selbst ausborgen mussten, sie nehmen Hunde und Katzen in Pflege und haben in Urlaubszeiten vier fremde Wohnungsschlüssel am Schlüsselbund, um dreimal die Woche verwaisten Zimmerpflanzen Wasser zukommen zu lassen.
Viel Dank – auf lange Sicht – ernten diese emsig an den Mitmenschen tätigen Leute aber nicht. Sind die Schulschwierigkeiten von Nachbars Hansi gelöst, findet die Frau Nachbarin den Gang zum Psychologen denn doch etwas voreilig und meint, dass sich ihr Hansi sicher auch »von selbst wieder erfangen hätt’«.
Die Großtante Emma isst zwar genüsslich das Gesottene und Gebratene, sinnt aber darüber nach, ob da nicht etwa eine hinterhältige Erbschleicherin die Töpfe füllte.
Das zerstrittene Ehepaar versöhnt sich wieder und verkündet im Duett, dass diese Einmischung von außen die Ehe fast zum Scheitern gebracht hätte.
Die Leute, die sich Geld leihen, lassen sich nicht mehr sehen, weil sie nicht zurückzahlen können und enorme Schuldgefühle haben. Die Katze, sagt die Katzenhalterin, sei seit der Fremdbetreuung so heikel. Und die Blumen, die waren echt am »Eingehen«, als man aus dem Urlaub kam. Man wird doch besser auf Hydro-Kultur umsteigen!
All das braucht man den Leuten, die anderer Leute Probleme zu den ihren machen, nicht zu predigen. Sie wissen es. Sie haben es oft genug erfahren müssen. Sie schwören auch immer wieder tausend Eide, nie-nie-nie mehr ihre gebrannte Nase in fremder Menschen Leben zu stecken. Aber dann ruft einer an und schreit SOS, und alle beinharten Vorsätze sind vergessen.
Warum das so ist, weiß ich nicht. Der Verdacht, dass anderer Leute Probleme von den eigenen Problemen ablenken, liegt allerdings nahe.
Opfer ohne Wert
Frau M. hat eine Nichte, die sie liebt, und sie hatte ein Häferl, das sie liebte. Dass sie die Nichte liebt, bedarf keiner weiteren Erklärung, das Häferl liebte sie ob seines Blumendekors und weil es einst ihrer geliebten Oma gehörte. Als vor ein paar Monaten der Geburtstag der Nichte kam, fragte Frau M. an, was als Geschenk willkommen sei. Geld, sagte die Nichte; dessen bedürfe sie dringend.
Frau M. steckte das Geburtstags-Geld in ein Kuvert. Doch dann kam ihr dieses nicht »festlich« vor. Sie gab ihrem Herzen einen Stoß, holte das Geld raus, legte es ins Oma-Häferl und hüllte dieses in Seidenpapier. Richtig »schwer ums Herz« war ihr, als sie der Nichte das Häferl übergab, aber tapfer sagte sie sich: Geschenke, die man sich aus dem Herzen reißt, sind die besten! Für die, die man liebt, muss man Opfer bringen!
Die Nichte wickelte das Häferl aus und jubelte. Frau M. deutete dies als zweifache Freude – über die grünen Scheine und das Oma-Häferl. Und sie dachte: Na siehst du, wer Opfer bringt, erntet als Lohn reichlich Dank!
Gestern war Frau M. wieder einmal bei der Nichte, und als sie in die Abstellkammer schaute, sah sie dort im Regal ihr Häferl. Zum Behälter für Nägel aller Art war es verkommen! Der Anblick brach Frau M. fast das Herz. Sie verabschiedete sich eher als sonst, auch kühler, und während sie vergrämt heimging, dachte sie: Undankbares Geschöpf, nichts achtet sie, alles lässt sie verkommen, überhaupt nichts ist ihr heilig, jedes Opfer nimmt sie wie selbstverständlich hin, schert sich einen Dreck um ideelle Werte!
Die Nichte übrigens sann lange, warum die Tante so sauer geschaut hatte und so bald gegangen war. Zu ihrem Mann sagte sie: »Bin mir keiner Schuld bewusst.«
Warum machen sich’s viele Leute so schwer? Frau M. hätte ja die Nägel aus dem Häferl tun und zur Nichte sagen können: »Ich liebe das Häferl, dir bedeutet es nichts, also nehme ich es mir wieder.« Beglückt hätte sie heimgehen können, sozusagen »beschenkt«. Aber nein, sie sagt nichts, nimmt lieber übel und leidet.
So geht’s im Leben nicht nur mit Nichten und Häferln. »Übel nehmen« statt eigenen Irrtum rückgängig machen, dazu neigen viele. Warum? Weil man sich ungeliebt fühlt, wenn geliebte Menschen nicht »von selber« merken, dass man Opfer bringt, und es enttäuscht, dass man solch einfühlsame Art der Liebe nicht erhält. Wär’ ja echt schön, wenn alle, die wir lieben, »spüren und ahnen«, was in uns vorgeht. Aber den Wunsch kriegt leider kaum wer erfüllt. Und wir selbst, seien wir doch ehrlich, erfüllen ihn anderen
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