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Eine Frau sein ist kein Sport

Eine Frau sein ist kein Sport

Titel: Eine Frau sein ist kein Sport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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erfahre ich das immer als letzter? Warum sagt mir keiner was?«
    Mehr als ein mattes »Hhhh?« braucht man da als Antwort wirklich nicht zu geben.
Verzweifelt über stille Hocker
    Nach des Tages Müh und Plag mit Freunden zusammenzusitzen ist eine gute Sache. Gastfreundliche Leute veranstalten diese gute Sache im eigenen Wohnzimmer und verwöhnen ihre lieben Gäste, so gut sie nur können.
    Allerdings haben auch die gastfreundlichsten Leute konkrete Vorstellungen von der Zeitspanne, die der Akt der Gastfreundlichkeit währen soll. Aus der Art, wie sie Einladungen aussprechen, geht das deutlich hervor.
    Wer bittet, »auf ein Stündlein vorbeizuschauen«, hat anderes im Sinn als der, der zu einer »Fete mit Mitternachtssuppe« lädt. Und dem, der fürs Wochenende einlädt, »damit wir hinterher ausschlafen können«, sind üppigere Absichten zu unterstellen als dem, der für Montagabend zu einem Gläschen Wein einlädt; vor allem, wenn man weiß, dass sein Werktag um sechs Uhr früh beginnt.
    So einfach das ist, manche Gäste kapieren es nicht. Sie fühlen sich wohl, und Aufbruch liegt ihnen fern. Da mögen die Gastgeber noch so indiskret gähnen und die Äuglein ribbeln!
    Auch der Hausfrau hoffnungsfroher Appell: »Jetzt mach’ ich noch einen Kaffee«, den alle anderen Gäste als abschließende Aktion erkennen, besagt den zähen Hockern nichts. Sie trinken den Kaffee, fühlen sich neu belebt und wollen noch ein Gläschen Wein. Mogelt man, es sei kein Wein mehr da, sind sie bereit, aus einem Lokal Nachschub zu holen.
    Die meisten zähen Hocker sind redselig. Es gibt aber auch stille Hocker, an denen man besonders verzweifelt. Mehr als: »Gemütlich ist’s hier«, und hin und wieder das sinnlose Versprechen: »Nun werd’ ich aber doch gehen«, kommt von ihnen nicht.
    Mutige Gastgeber decken solche Hocker mit einem Plaid ab und gehen zu Bett. Angeblich serviert ihnen dann der stille Hocker das Frühstück an dieses.
    Zu welcher Sorte der Hocker aber auch gehört, er ist männlichen Geschlechts! Unter den vielen Hockern, die mir frustrierte Nachtstunden bescherten, erinnere ich mich keiner einzigen Frau.
    Am ärmsten sind die Frauen der Hocker. Sie mahnen, drängen, rügen, bitten und drohen: »Wenn du jetzt nicht gehst, geh’ ich allein!« und bleiben dann doch, weil sie sich für den Abtransport des Partners verantwortlich fühlen. Dank ernten sie nicht. Der Hocker nimmt ihnen die »lusttötende Art« übel, die Gastgeber sind – wegen ihrer Erfolglosigkeit – auch nicht sehr angetan, und andere Gäste, die den Vorgang mitkriegen, tuscheln: »So eine fade Keifen! Kein Wunder, dass der arme Kerl nicht heimgehen will!«
Was wollte ich Ihnen heute bloß sagen?
    Viele Leute sind nie so recht mit den Gedanken bei der Sache, die sie gerade erledigen, sondern gedanklich meilenweit von dieser Tätigkeit entfernt.
    Solche Leute decken – zum Beispiel – einen Nachtmahltisch, überblicken ihr Werk, stellen fest, dass der Salzstreuer fehlt, und eilen in die Küche, um ihn zu holen, und stehen dann mit gerunzelter Stirn und nachdenklichem Zeigefinger an der Nase in der Küche herum und wissen nicht mehr, was sie holen wollten.
    »Ich wollte doch was! Was wollte ich denn nur?« murmeln sie.
    Aber solange sie auch stehen und soviel sie auch murmeln, es fällt ihnen nicht mehr ein. Sie müssen zum Nachtmahltisch zurückkehren, neuerlich das ganze Arrangement überblicken und den Salzmangel frisch entdecken.
    Besonders unkonzentrierte Exemplare können unter Umständen sogar im zweiten Durchgang scheitern. Erst wenn sie dann beim Nachtmahl sitzen und die Suppe etwas »fade« finden, erinnern sie sich, warum sie mehrmals den Weg zur Küche hin eilten.
    Ähnlich ergeht es diesen Leuten manchmal auch mit einem Ding, das sie in der Hand halten. Sie staunen es verwundert an und haben komplett vergessen, zu welchem Unterfangen sie es an sich genommen haben. Oder es fällt ihnen etwas zu spät ein.
    Wie mir etwa, als ich mich mit einer Plastiktragtasche voll Kalbsknochen, Staubsaugermist und Erdäpfelschalen in der Straßenbahn sitzend vorfand.
    Tiefe, weltbewegende Gedanken waren es nicht, die mich damals davon abgehalten haben, den Mistsack vor Verlassen des Hauses im großen Mistkübel zu deponieren. Ein winziger Tratsch mit dem Briefträger im Stiegenhaus hatte genügt, alle »Mistgedanken« in meinem Hirn zu löschen.
    Es war ziemlich peinlich für mich, die indignierten Blicke der anderen Straßenbahnfahrgäste zu

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