Eine Frau zum Heiraten
“Nein, das ist unmöglich. Ich könnte nie … habe nie …”
Plötzlich stutzte er und betrachtete sie eingehend. Claire wirkte so gequält und klang so beschämt.
“Was ist es?”, fragte er. “Was versuchen Sie mir zu sagen?”
“Nichts”, behauptete sie und wollte sich abwenden.
Doch er hielt sie zurück, indem er ihren Arm umfasste. “Damit können Sie mich nicht abspeisen. Sie könnten nie … haben nie … Was?”
Claire mied seinen Blick, und er spürte, wie sie erschauerte.
Es hat keinen Sinn, gestand sie sich ein. Alex würde sie so lange drängen, bis sie ihm die Wahrheit erzählte. Sie schloss die Augen und versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Wie hatte es nur so weit kommen können? Wie in aller Welt hatte sie so viel von sich preisgeben können?
Als Kind hatte sie gelernt, dass es am einfachsten war, einmal tief durchzuatmen und es zu erdulden, wenn sie das Missfallen ihrer Großtante erregt hatte – so als würde sie eine Dosis bittere Medizin auf einmal herunterschlucken.
“Ich könnte nie eine Affäre beginnen und hatte auch nie eine”, erklärte sie leise und versuchte dabei zu ignorieren, dass ihre Stimme bebte und ihr die Wangen brannten. Nicht dass Alex ein Recht darauf hatte, die beschämende Wahrheit zu erfahren …
“John … Unsere Ehe … John hat mich geheiratet, weil er eine Stiefmutter für Sally brauchte. Ich wusste … Er hat mir gesagt, dass er niemals eine andere Frau so lieben würde, wie er Paula geliebt hatte, aber er wollte Sally eine Ersatzmutter geben.”
“Und Sie haben das akzeptiert und waren damit glücklich?”, beharrte er, weil er es überhaupt nicht verstehen konnte. Hatte Claire ihren Mann womöglich so verzweifelt geliebt, dass sie gehofft hatte, er könnte eines Tages doch etwas für sie empfinden? Er empfand tiefes Mitgefühl für sie, und gleichzeitig machte es ihn wütend.
“Ja”, bestätigte sie.
“Aber warum? Warum haben Sie einen Mann geheiratet, der Sie nicht geliebt hat? Sie haben doch gewusst, dass er Ihnen nie ein richtiger Ehemann sein würde, Ihnen nie Kinder schenken würde oder sexuelle Erfüllung …” Alex verstummte, als er merkte, wie sie bei seinen letzten Worten erschauerte.
“Was ist es?”, fragte er. “Was ist los?”
“Mir machte es nichts aus, dass John mich nur als Stiefmutter für Sally haben wollte, weil ich gar keine sexuelle Beziehung mit ihm haben
wollte
– weder mit ihm noch mit einem anderen Mann”, gestand sie.
Einen Moment lang sahen sie sich schweigend an.
“Sie wollten keine sexuelle Beziehung mit einem Mann”, wiederholte Alex dann.
Er konnte es nicht verstehen. Als er sie geküsst hatte, war sie schockiert und wütend gewesen … und erregt. Ja, er war sich ganz sicher, dass sie erregt gewesen war und sich nicht vor ihm geekelt hatte.
Schließlich ließ er sie los und wandte den Blick ab. Ihr Geständnis hatte ihn so überrascht, dass er nicht wusste, was er sagen oder tun sollte. Als er sie wieder flüchtig ansah, stellte er fest, dass sie mit den Tränen kämpfte.
“Oh verdammt, komm her”, sagte er rau und zog sie an sich. Mit einer Hand hielt er sie fest, mit der anderen strich er ihr beruhigend übers Haar. “Ist ja gut … ist ja gut. Es tut mir leid, dass ich dich so aus der Fassung gebracht habe. Ich wollte nicht … Es war nicht richtig von mir.”
“Sprich mit mir, Claire”, drängte er, als er merkte, wie angespannt sie war. “Erzähl mir alles. Sag mir, was dir so zu schaffen macht.”
“Ich kann nicht”, brachte sie hervor und schluchzte. “Ich kann nicht.”
“Doch, du kannst es. Du kannst mir alles sagen.” Alex sprach in demselben Tonfall mit ihr, in dem er früher immer seine Geschwister getröstet hatte. Allerdings war Claire kein Kind mehr, und sie war auch nicht seine Schwester. Das merkte er daran, wie er körperlich auf ihre Nähe reagierte.
Zum Glück war sie zu sehr mit ihrem Kummer beschäftigt, um zu merken, wie erregt er war.
“Sag es mir”, beharrte er und fügte lächelnd hinzu: “Ich lasse dich nicht eher los, als bis du es getan hast.”
“Es gab da einen Mann”, begann sie schließlich widerstrebend. “Ein Kommilitone. Wir haben zu dritt in einem Haus gewohnt. Es war das erste Mal, dass ich allein wohnte. Ich glaube, ich war damals sehr naiv … Meine Großtante war furchtbar streng gewesen, und ich … ich hatte kaum Erfahrungen gesammelt und wusste nicht … Er … er kam in mein Zimmer. Angeblich war kein Geld mehr
Weitere Kostenlose Bücher