Eine Frau zum Heiraten
darüber nach, wie wenig sie sich offenbar gekannt hatte. All die Jahre hatte sie geglaubt, sie könnte nie sexuelle Erfüllung mit einem Mann finden, weil sie dieses Trauma durchlebt hatte. All die Jahre hatte sie an sich und ihrer Sexualität gezweifelt und Hemmungen gehabt.
An diesem Abend war ihr jedoch klar geworden, wie sehr sie sich geirrt hatte. In Alex’ Armen, unter seinen Berührungen hatte sie ihre Sexualität und ihre Sinnlichkeit entdeckt.
Was würde passieren, wenn Alex aufwachte und sich daran erinnerte? Während sie versuchte, den Schmerz zu unterdrücken, der von ihr Besitz ergriff, musste sie an ihre Schwägerin denken. Irene würde nicht sehr erfreut sein, wenn Alex ausziehen würde. Genau das würde nämlich passieren.
8. KAPITEL
Am nächsten Morgen wurde Claire unsanft geweckt, denn es klingelte an der Haustür, und die Sonne schien ihr ins Gesicht, weil sie die Gardinen am Abend nicht zugezogen hatte. Wie gerädert hob sie den Kopf, um einen Blick auf den Wecker zu werfen. Entsetzt stellte sie fest, dass es bereits nach zehn war.
Schnell schlug sie die Bettdecke zurück, stand auf und streifte ihren Bademantel über. Dabei vermied sie es, in den Spiegel der Frisierkommode zu sehen. Doch sie merkte auch so, dass sie verlegen errötet war. Noch immer war sie angenehm träge nach der leidenschaftlichen Nacht mit Alex.
Als sie den Flur entlangeilte, sah sie, dass die Tür zu seinem Zimmer offen stand. Das Bett war leer und ordentlich gemacht. Kein Wunder, dass er mich nicht geweckt hat, bevor er gegangen ist, dachte Claire grimmig.
Wer immer vor der Tür stand, wurde offenbar ungeduldig, denn es folgte ein weiteres, diesmal lang gezogenes Klingeln.
Als sie hinging, um zu öffnen, sah sie durch die Glasscheiben, dass es sich um eine Frau handelte, die sie nicht kannte. Sie hatte ein Baby auf dem Arm und hielt ein kleines Mädchen an der Hand.
Nachdem Claire ihr geöffnet hatte, stellte sie fest, dass die Frau besorgt die Stirn runzelte und ziemlich mitgenommen wirkte. Das Baby hatte zu schreien begonnen, und nun stimmte auch das Mädchen mit ein. Verzweifelt schloss sie die Augen, als sie versuchte, die beiden zu beruhigen.
“Ist Alex hier?”, fragte sie dann Claire und fuhr eindringlich fort: “Er wohnt doch hier, stimmt’s? Er hat mir zwar die Adresse gegeben, aber ich war mir nicht sicher, ob ich sie richtig notiert hatte.”
“Ja … ist ja gut”, tröstete sie das Baby. Sie hatte denselben Akzent wie Alex, und allein beim Klang wurde Claire das Herz schwer.
“Ja, die Adresse stimmt”, versicherte sie der jungen Frau und trat einen Schritt zurück, um sie hereinzulassen. Dabei streckte sie die Hände aus, um ihr das Baby abzunehmen.
“Oh ja … Danke … Er ist ganz nass”, informierte diese sie zerknirscht. “Und außerdem ist er ziemlich hungrig.”
Claire hörte nur mit einem Ohr zu. Als sie dem Baby in die Augen sah und feststellte, wie sehr es Alex ähnelte, wurde ihr das Herz noch schwerer.
Der Schmerz, den sie verspürte, war so stark, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte. Am liebsten hätte sie geweint, aber sie hatte gar keine Tränen.
“Ich bin übrigens Alex’ Schwester, Mary-Beth”, stellte die Frau sich vor, während sie das Mädchen ins Haus schob und sich bückte, um ihr Gepäck hochzuheben.
Alex’ Schwester. Als Claire sie ansah, begann sie vor Erleichterung zu zittern. Einen Moment hatte sie geglaubt …
“Er ist doch hier, oder? Ich musste einfach kommen und ihn sehen”, erklärte Mary-Beth. Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen.
“Nein, leider nicht”, erwiderte Claire. “Aber er wird wohl bald zurück sein”, fügte sie hinzu. “Sie können ihn im Büro anrufen. Ich gebe Ihnen die Nummer”, bot sie an, doch Mary-Beth schüttelte den Kopf.
“Nein … nein, ich warte lieber, bis er zurückkommt … Wissen Sie, er … er weiß nicht … Er hat uns nicht erwartet …” Nervös ging sie in der Eingangshalle auf und ab, wobei sie geflissentlich Claires Blick mied.
Irgendetwas stimmt offenbar nicht, dachte Claire. Kein Mensch, und wenn er noch so impulsiv war, flog einfach aus einer Laune heraus über den Atlantik, noch dazu mit zwei Kleinkindern im Schlepptau.
“Sicher sind Sie sehr müde und hungrig”, sagte sie leise. “Lass uns in die Küche gehen und sehen, ob wir etwas zu essen finden, ja?”, fuhr sie an das Baby gewandt fort. Mittlerweile hatte es aufgehört zu schreien und nuckelte stattdessen am Daumen, während es
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