Eine fremde Welt 1 - Steven
nächsten Morgen bei der
Arbeit sein, deshalb bitte ich darum, dass es nicht zu spät wird.«
Um neunzehn Uhr bin ich im Hotel, wie er nach seinen Regeln wünscht ohne
Höschen, und warte an der Hotelbar auf Steven. Als er reinkommt, verstummen die
Gespräche kurz. Dann geht das Gemurmel wieder weiter. Ich lächle ihm zu: »Hallo
Steven!« Er küsst mich auf die Stirn. »Hallo Beth«, höre ich ihn sagen, dabei wird mir
auf einmal klar, Steven hat mich noch nie auf den Mund geküsst.
»Willst du noch was trinken oder können wir gleich ins Restaurant gehen?« Ich stehe
auf und höre mich »Hunger« sagen. Mit einem Schmunzeln führt Steven mich an den
Tisch. Er bestellt wieder wie selbstverständlich für uns beide. »Wie war deine Woche
bisher, Beth, stressig?« Es entwickelt sich schnell ein nettes Gespräch und kurz darauf
kommt auch schon das Essen, das himmlisch duftet. »Erzähl mir von Mia«, sagt er
plötzlich, »woher kennst du sie und wie lange schon?« Ich erkenne wirkliches Interesse
und fange an von Mia zu erzählen.
»Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten. Mia ist ein Jahr älter als ich und ein
Wirbelwind. Sie ist die Lebhafte von uns dreien, das kommt vermutlich daher, dass sie
unbedingt dem Klischee, Rothaarige sind aufgeweckter, gerecht werden will. Sie ist
bildhübsch und sehr lieb, du würdest sie mögen. Sie und Tanja, meine andere
Freundin, wir haben immer zusammengesteckt, hatten unsere Eltern eine gefunden,
hatte man alle. Mia hatte keine leichte Kindheit. Ihre Eltern haben sich früh getrennt
und Mia hat später einen Stiefvater bekommen, mit dem sie sich überhaupt nicht
verstanden hat. Im Gegenteil, er war gewalttätig und hat sie sehr verletzt. Wie sehr,
können Tanja und ich nur ahnen. Sie hat es uns nie erzählt, aber er wurde dafür
angeklagt. Wir waren immer für sie da und sie ist tough. Sie lässt sich nicht
unterkriegen und hat auch später das Gymnasium besucht und Bankwesen studiert.
Das Geld dazu hat sie sich mit Nebenjobs verdient. Sie hat Glück gehabt und einen
prima Job bekommen, in dem sie auch sehr, sehr gut ist. Mia ist entgegen von mir und
Tanja gut situiert, wie es so schön heißt. Sie lässt das Tanja und mich aber nie spüren,
dass wir weniger wert sind als sie. Oder sie dadurch was Besseres ist. Ich denke, es ist
Freundschaft, eine echte Freundschaft zwischen uns dreien. Sie hat im Moment einen
Freund, er ist verheiratet. Naja, also eine Affäre, schon einige Zeit, sie scheint
glücklich damit, und wir akzeptieren es. Sie hofft immer noch, dass er wie
versprochen seine Frau verlässt, aber wir glauben ihm das nicht. Mit wir meine ich
Tanja und mich. Tanja ist schon verheiratet. Sie hat eine Familie. Zwei süße Mädchen.
Ich bin stolze Patentante und sie ist sehr zufrieden. Sie und ihr Mann Marc haben
einen kleinen Hof renoviert, auf dem sie eine Imkerei betreiben, mit seltenen
Honigsorten, sie macht traumhaften Honig.
Wir treffen uns immer spontan, aber regelmäßig. Da wir alle Einzelkinder sind, sind
die beiden für mich wie Schwestern. Hast du auch Geschwister?«, frage ich Steven. Es
ist das erste Mal, dass ich ihn etwas Persönliches frage.
Und er antwortet mir sogar mit: »Ja, eine Schwester, sie ist einiges jünger als ich und
lebt bei meinen Eltern.« Nicht allzu viele Informationen, aber immerhin er hat
geantwortet. Und dann überrascht er mich, indem er mir erzählt, dass seine Familie
ein großes Weingut in Italien besitzt. Dazu einige Spezialitäten-Läden, die er
vermarktet, und er den Vorsitz in der Firma hat, seit sein Vater und Großvater sich
aus dem Geschäft zurückgezogen haben.
»Du bist also reich, sehr reich.« Er antwortet schlicht mit »Ja« und fragend schaut er
mich an. »Das weißt du doch schon.« »Reich und sehr reich ist dann auch noch ein
Unterschied«, murmle ich. Er schmunzelt. Der Nachtisch kommt, diesen essen wir
schweigend. Ich will nicht, dass er denkt, ich mache das alles wegen des Geldes.
»Nicht zu viel grübeln, Beth, lass es einfach auf uns zukommen.«
Kurze Zeit später tritt der Kellner an den Tisch und fragt, ob wir noch einen Wunsch
haben, aber Steven verneint und bittet um die Rechnung. Danach stehen wir auf und
er führt mich nach draußen in die Lobby. Er dreht sich zu mir um und steckt mir
etwas in die Handtasche. »Geh in die Waschräume, Beth, und mach dich frisch.« Er
grinst mich schelmisch an. »Ich warte auf dich und dann gehen wir shoppen, mein
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