Eine fremde Welt 1 - Steven
reiten kann, führt er mich in den Stall und zeigt mir die
Pferde. Wir reden so viel wie noch nie. Er zeigt mir seine Lieblingsstellen auf dem
Grundstück und auch Orte, an denen er als Kind viel Spaß hatte. Jeden Morgen weckt
er mich auf, indem er mit mir schläft, dabei ist er unendlich zärtlich und lieb zu mir.
Die Striemen sind nach ein paar Tagen schon fast verblasst. Ich fühle mich wie in
einer fremden Welt, einer zauberhaften mir bis dahin unbekannten Welt. Steven
verwöhnt mich, ich kann es nicht anders sagen. Bei einer erneuten Wanderung durch
die herrlichen Weinberge zeigt Steven mir, wo Peter wohnt. Wir schauen rüber, aber
Steven meint, so ohne Ankündigung gehen wir nicht zu ihm, kann sein, dass er
Besuch hat, und zwinkert mir zu. »Wie lange kennt ihr euch schon?«, frage ich Steven.
»Das ist eine längere Geschichte, Beth. Seine Eltern sind sogenannte Aussteiger, sie
haben alles verkauft, was sie besaßen, und haben diesen Weinberg zusammen mit
diesem kleinen Gutshof gekauft. Kurz darauf kam auch Peter zur Welt. Sie wollten
ihren eigenen Wein herstellen und waren auch auf einem guten Weg. Das
Weingeschäft ist hart und es dauert Jahre, bis man Erfolg darin hat. Dazu kommt
noch die äußerst harte Konkurrenz hier in der Toskana. Mein Vater hat sich sehr mit
Peters Vater verstanden, ich glaube, sie waren richtig gute Freunde, so wie Peter und
ich es heute auch sind. Die Tragödie passierte, als Peter sieben war, seine Eltern waren
zusammen mit meinen Eltern auf der Weinleseparty. Peter sollte mir Gesellschaft
leisten und bei uns übernachten, wie schon oft zuvor war er bei mir, wir hatten einen
klasse Abend, der fürchterlich endete.
Auf der Heimfahrt ist ein Betrunkener in das Auto unserer Eltern gefahren. Der
Wagen überschlug sich und rutschte einen Berg hinunter. Die Mantellos, Peters
Eltern, waren auf der Stelle tot. Meine Eltern wurden schwer verletzt. Großvater hat
uns am anderen Morgen vorsichtig beigebracht, was passiert ist, Peter konnte es,
glaube ich, nicht aufnehmen. Er ist einfach nur dagestanden und hat meine Hand
gehalten. Er hat nichts mehr geredet, er war wie verstummt.« Steven blickt ins Leere,
er ist in der Vergangenheit mit seinen Gedanken. Dann erzählt er weiter: »Meine
Eltern überlebten, wie du weißt. Sie waren wochenlang im Krankenhaus und während
dieser Zeit hat sich Großvater um alles gekümmert. Um die Beerdigung, um uns beide
und vor allem, dass Peter bei uns bleiben konnte. Das ganze Rechtliche konnten Peter
und ich erst viel später erfassen, aber Großvater wusste, dass Vater Peter niemals
alleine und im Stich lassen würde. Dass er die Verantwortung für ihn übernehmen
würde. Der Weinberg wurde weiter betrieben, unter Peters Namen. Was wir auch erst
mit den Jahren mitbekamen. Peter hat ungefähr ein Jahr lang kein Wort gesprochen,
dass er nicht weinte, ging noch viel länger. Wir beide waren zu dieser Zeit
unzertrennlich. Erst als meine Mutter Fiona auf die Welt brachte und Mum sie ihm in
die Arme legte. Dann sagte sie, dass dies nun auch seine kleine Schwester wäre und er
ihr versprechen müsse, gut auf sie aufzupassen. Da hat er geweint, ich vermute,
danach nie wieder. Ich habe es zumindest nie mehr erlebt. Wir zwei haben das
Schlimmste, was einem passieren kann, und das Schönste bisher zusammen
durchgemacht. Ich vertraue Peter uneingeschränkt, er ist der beste Freund, den ich
habe.« Wir laufen noch ein Stück in die Weinberge und Steven erzählt weiter.
»Großvater und Vater haben ihm das Weingut als er achtzehn war überstellt und ihn
gefragt, was er damit tun möchte. Er möchte Teilhaber an der Cavellni-Group werden
und seine Weinberge dafür einbringen, war seine Antwort darauf. Das Haus in den
Weinbergen, das du gerade gesehen hast, hat er für sich hergerichtet und behalten.«
»Ich glaube, er mag mich«, sage ich plötzlich in die Stille. Steven schaut mich an:
»Willst du etwa die Seiten wechseln?«, und zwinkert mir zu.
»Natürlich nicht, was denkst du denn, komm lass uns zurücklaufen, ich würde gerne
noch in die Ställe schauen.« Der traurige Moment geht vorbei, aber ich bin froh
darüber, dass Steven mir alles erzählt hat. »In die Ställe?«, höre ich Steven sagen. »Ja,
ich habe mich mit der Stute, die du mir zum Reiten zugedacht hast, angefreundet.
Und hoffe darauf, dass sie mich beim ersten Ritt durch die Gegend nicht abwirft, sie
ist wunderschön.«
Er grinst: »Morgen kommen
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