Eine Freundin fuer Allie
als wäre ich Luft, erzählten hinter meinem Rücken schlimme Dinge oder nannten mich Allie Stinkle. Aber Rosemarie meinte es ernst.
Erica wusste zu berichten, dass sie mal einen gewissen Morgan Hayes verhauen hatte, weil der sich im Kunstunterricht aus Versehen auf Rosemaries Pappmaché-Drachen gesetzt hatte. Aus Rache setzte sich Rosemarie so lange auf Morgan, bis er heulte. Und Morgan war ein Junge aus der Fünften.
Wenn dich jemand verhauen will, musst du Gegenmaßnahmen ergreifen. Du musst dich ständig umgucken, hinten Augen haben, weglaufen oder dich verstecken, je nachdem was angesagt ist.
Glücklicherweise fuhr Rosemarie mit dem Bus nach Hause.
Deswegen konnte sie mir nicht auf dem Heimweg auflauern, plötzlich aus den Büschen springen und angreifen. Wenn sie das vorhatte, würde sie ihren Bus verpassen und müsste in der Schule übernachten. Der einzige Ort, wo ich auf der Hut sein musste, war also der Pausenhof. Nachdem Caroline, Sophie und Erica von Rosemaries Drohung erfahren hatten, erklärten sie sich bereit, mir zu helfen, nach Rosemarie Ausschau zu halten. Das war echt total nett von den dreien.
Das gab mir das Gefühl, dass mein erster Tag trotz allem, was passiert war, nicht nur schlecht gewesen war. Es ist ein schönes Gefühl, Freundinnen zu haben, auch wenn noch keine die beste Freundin war.
»Also echt«, sagte Caroline auf dem Heimweg, während das welke Herbstlaub unter unseren Schuhen raschelte, »erzähle Mrs Hunter doch einfach, was Rosemarie zu dir gesagt hat.«
»Lieber nicht«, widersprach Sophie und schüttelte den Kopf, bis ihre glänzenden, dunklen Locken tanzten. »Das macht sie nur noch wütender. Das ist bei Affen auch so.«
Sophie hat ganz offensichtlich Angst vor Affen, obwohl ich ihr versicherte, dass Affen nur selten Menschen angriffen. Das weiß ich, weil ich schon so viel über Säugetiere gelesen habe.
»So schlimm ist Rosemarie auch nicht«, versuchte sich Erica wieder als Friedensstifterin.
»Da bin ich anderer Meinung, wenn du nichts dagegen hast«, warf Sophie ein. »Weißt du nicht mehr, was sie mit Morgan gemacht hat?«
»Wer weiß, ob das stimmt«, spottete Caroline. »Ich habe gehört, er hätte sich die Rippen gebrochen, als er mit seinem Vater beim Skilaufen war.«
»Im Ernst«, sagte Erica. »Ich glaube, Rosemarie wollte nur ein bisschen Dampf ablassen. In ein bis zwei Tagen hat sie das Ganze vergessen. Sie hat sowieso kein gutes Gedächtnis. Wisst ihr noch, wie lange sie für das Einmaleins gebraucht hat?«
»Ich weiß nicht recht«, sagte Caroline zweifelnd. »Aber ich weiß sicher, dass Mrs Hunter nicht zulässt, dass in ihrer Klasse jemand umgebracht wird.«
»Leider kann Mrs Hunter nicht überall gleichzeitig sein«, gab Sophie zu bedenken.
Das war leider nur zu wahr. Dennoch schien es eine Zeit lang zu funktionieren, dass ich Rosemarie aus dem Weg ging. Allmählich glaubte ich fast, dass Erica recht hatte und Rosemarie die ganze Sache vergessen hatte. In der Schule gab ich mir richtig Mühe, schwätzte kein einziges Mal während des Unterrichts, zeigte nicht auf und stellte mich immer als Letzte in die Reihe, wenn wir in die Pause oder zum Kunst- oder Musikunterricht gingen, um nur ja nicht aufzufallen. Ich hoffte, Rosemarie würde vergessen, dass ich überhaupt da war, und infolgedessen auch, dass sie mich verhauen wollte.
Es schien zu funktionieren. In den nächsten Tagen beachtete sie mich so gut wie gar nicht. Ich war auch froh, dass Kevin seine Piratenphase hinter sich hatte. Schließlich hatte er am ersten Tag bereits einen überwältigenden Auftritt hingelegt.
Außerdem bestand Mom darauf, dass das Kostüm schmutzig sei und in die Reinigung gebracht werden musste. (In der Waschmaschine durfte man es nicht waschen.) Es gab also nichts mehr, wodurch ich auffallen könnte.
Nach diesem »Fehlstart«, wie Mom es nannte (Dabei hatte ich ihr nichts von Rosemarie erzählt. Sie meinte das Popcorn und den Rock über der Jeans), lief es eigentlich ganz gut. Mom hatte die Kiste mit meinen Leggings und Strumpfhosen gefunden. Und die Firma, wo wir den Herd bestellt hatten, ließ uns wissen, dass er in einem Monat geliefert werden würde. Es ging voran.
Caroline hatte mich sogar zu einer Übernachtungsparty eingeladen! Das war wirklich eine große Sache, weil dies meine erste Übernachtungsparty mit meinen neuen Freundinnen war. Allerdings war es keine große Übernachtungsparty. Caroline, Sophie, Erica und ich waren unter uns. Aber es war
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