Eine Freundin zum Anbeissen
musste sie zugeben. Daka war so im Zirkeltraining gefangen, dass sie gar nicht hörte, wie Frau Renneberg abpfiff und sich alle wieder am Rand versammelten. »Onu, zoi, trosch, boi schlappo noku mosch, boi, boi boi!«, sang sie den letzten Hit von Krypton Krax vor sich hin und stieß dabei die Faust in die Höhe.
Die 7 b und Frau Renneberg standen am Rand und sahen Daka zu. Erst als Frau Renneberg noch einmal pfiff, kam Daka wieder in der Wirklichkeit an. Schnell lief sie an den Rand und stellte sich neben ihre Schwester.
»Freut mich, dass du so ein Fan vom Zirkeltraining bist«, sagte die Sportlehrerin.
Daka sah zu Boden. Als Frau Renneberg den Ablauf der Stunde erklärte, blickte Daka zu ihrer Schwester. »War es sehr peinlich?«, fragte sie leise.
»Normal peinlich.« Silvania wischte sich ein paar Schweißperlen von der blassen Nase. Dabei schwankte sie leicht.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte Daka und stützte Silvania am Arm.
Silvania schüttelte den Kopf. »Geht schon, danke. Das Zirkeltraining war nur etwas anstrengend.«
Daka runzelte die Stirn. Normalerweise kam ihre Schwester nicht so schnell aus der Puste.
Frau Renneberg klatschte zweimal in die Hände. »Also, baut den Schwebebalken auf, und holt Matten.«
Kurze Zeit später stand der Balken, die Matten lagen darunter, und vor dem Balken stand ein kleines Sprungbrett. Frau Renneberg turnte den Mädchen eine einfache Übung vor. Zumindest sah sie bei ihr einfach aus. Ihr kurzer brauner Pferdeschwanz wippte im Takt, als sie ein paar Sprünge auf dem Balken machte. Zum Abgang schlug sie ein Rad.
»So, und jetzt seid ihr dran. Wer fängt an?« Frau Renneberg ließ den Blick über die Mädchen schweifen. Er blieb an Silvania hängen. Vielleicht lag es an ihrem ausgefallenen Gymnastikanzug, vielleicht an ihrer Nase, die schneeweiß leuchtete.
Silvania atmete einmal tief durch und ging zum Balken. Sie nahm Anlauf, traf mit beiden Beinen auf das Sprungbrett und sprang auf den Balken. Langsam richtete sie sich auf, streckte die Arme zur Seite und ging zwei Schritte mit gestreckten Zehen, wie es Frau Renneberg vorgemacht hatte. Sie hüpfte dreimal auf der Stelle, wobei die Fledermausflügelchen ihres Gymnastikanzugs leicht flatterten. Es sah sehr schön aus. Dann blieb sie stehen und sah auf ihre Füße. Dabei schwankte sie von links nach rechts. Erst kaum merklich, dann immer mehr. Sie setzte einen Fuß nach vorne, dann wieder nach hinten. Das Schwanken hielt an. Schließlich wedelte sie mit den Armen und torkelte auf dem Balken vor und zurück.
»Silvania? Alles in Ordnung?« Frau Renneberg war an den Balken getreten.
Silvanias Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Mir geht's prima. Hier oben ist alles sss... sss... ssso schön grün.« Silvania machte eine ausladende Kreisbewegung mit den Armen. »Alles voller Tulipa Karpata. So ein schönes Katzenklo hier!« Silvania torkelte drei Schritte zurück. Einer verfehlte den Balken beinahe. »Hups.« Silvania kicherte. »Und ich bin eine kleine Fluffiwolke und schwebe.« Silvania wedelte mit den Armen und torkelte wieder vorwärts.
»Oh«, machte Frau Renneberg und hielt Silvania die Hand hin. »Komm lieber mal runter vom Balken.«
Doch Silvania dachte gar nicht daran. Wahrscheinlich hörte sie die Sportlehrerin auch nicht. Sie befand sich gerade auf irgendeinem himmlischen Katzenklo. Ihr Grinsen wurde immer breiter, und sie torkelte immer wilder. Einige Mädchen der 7 b hielten sich die Hände vors Gesicht, andere rissen die Augen auf. Daka starrte ihre Schwester mit offenem Mund an. »Schlotz zoppo! Der Erdentzug«, flüsterte sie.
Silvania murmelte etwas wie »Tuli, trulla, tralla« und kicherte wieder. Dann machte sie ein ernstes Gesicht. Sie legte eine Hand auf die Brust und begann, die ersten Zeilen von »Transsilvania, rodna inima moi« zu singen. Mit der anderen Hand dirigierte sie ein unsichtbares Orchester. Dabei torkelte sie heftig nach rechts. Ihr Fuß tastete nach dem Balken, doch er fand nur Luft. Er tastete weiter, und Silvania kippte.
Daka sah Silvania fallen. Schneller, als ein Mensch sehen konnte (und unter Missachtung der radikalen Regel Nummer sechs), flopste sie um den Balken herum, fing Silvania auf und krachte mit ihrer Schwester im Arm auf die Matte.
»Autsch!«, sagte Daka.
»Hups!«, sagte Silvania und kicherte.
Frau Renneberg schlüpfte unter dem Balken durch und starrte die Schwestern besorgt an. Schnell bildete sich ein Kreis aus Schaulustigen der 7 b um sie
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