Eine Freundin zum Anbeissen
Irene van Kombast eine unerklärliche Anziehung in den Wald gelockt. Und dann – Dirk war sich nicht sicher, ob er das richtig verstanden hatte – waren Vampire auf Irene eingestürmt. Sie jagten Irene durch den Wald, einer der Vampire schnappte sie sich und flog mit ihr in atemberaubender Geschwindigkeit zwischen den Bäumen hindurch. Die Vampire warfen sich Irene zu, als wäre sie ein Ball. Sie kreisten sie ein, tanzten um sie herum, bleckten die Zähne, aber bissen sie nicht. Schließlich setzten sie Irene im dichten Nebel auf dem Kirchturm ab, wo es ihr erst nach mehreren Stunden gelang, hinunterzuklettern.
Natürlich wollte Dirk van Kombast zunächst nichts davon glauben. Vampire! Firlefanz! Vampire gab es in Büchern, im Fernsehen und im Kino. Aber nicht im kleinen Stadtwäldchen. Doch die Schilderungen seiner Mutter waren so lebendig und detailgenau, dass ihm Zweifel kamen. Sie zeichnete die Vampire für ihn und erinnerte sich an einige Wörter in ihrer fremden Sprache. Sie meinte, etwas Ähnliches wie »fumpfs" und »schlotz zoppo" gehört zu haben. Aber was es bedeutete, wusste sie nicht.
Je mehr Dirk van Kombast über die Vampire hörte, desto mehr faszinierten sie ihn. Stundenlang surfte er im Internet und stellte erstaunt fest, dass seine Mutter nicht die Einzige war, die eine unerfreuliche Begegnung mit den Blutsaugern erlebt hatte. Weltweit gab es mehrere Opfer. Dirk stieß auf Seiten von Experten, auf genaueste wissenschaftliche Abhandlungen, die die Existenz von Vampiren bewiesen. Dirk van Kombast wurde immer besessener von der Idee. Er hatte sozusagen Blut gerochen.
Und so schwor er sich, seine Mutter zu rächen. Die Vampire hatten sie in den Wahnsinn getrieben, und er würde dafür die Vampire zur Strecke bringen. Doch dazu musste er aufpassen, dass er nicht selbst in der psychiatrischen Klinik landete. Es war sein großes Geheimnis.
»Also bekomme ich keinen Liebesbrief von dir, was?« Sonja wickelte eine blonde Strähne von Dirks Nackenhaaren um ihren Finger.
»Äh ... nein«, erwiderte Dirk, den Sonja aus seinen Gedanken gerissen hatte.
»Schade. Das wäre so schön romant–«
»Psst«, machte Dirk und beugte sich vorsichtig zum Fenster. Auf der Straße näherten sich die Nachbarsmädchen. Die eine, Dakaria, wenn sich Dirk van Kombast richtig erinnerte, hatte wie immer eine viel zu große Sonnenbrille auf, und die andere, die Silvania sein musste, hatte ihren Hut tief in die Stirn gezogen.
Dirk van Kombast stieß das Fenster noch ein Stück auf und lauschte.
»Und ich habe wirklich ›Transsilvania, rodna inima moi‹ gesungen? Mitten auf dem Balken? Vor allen Leuten?«, fragte Silvania.
»Ja, aber nur die erste Liedzeile, dann bist du schon abgestürzt und in Ohnmacht gefallen«, erwiderte Daka.
»Danke, dass du mich gerettet hast«, sagte Silvania, legte ihrer Schwester kurz den Arm um die Schulter und drückte sie.
Daka winkte ab. »Lass dir lieber was einfallen, damit das nicht noch mal passiert.«
»Was soll ich denn machen? Die Kette ist verschwunden!«
»Dann klemm dir wenigstens etwas Heimaterde in den Bauchnabel.«
Dirk van Kombast sah, wie Silvania das Gesicht verzog. »Das ist doch total unhygienisch.«
»Besser unhygienisch als umklappen«, fand Daka.
Silvania seufzte. Sie blickte kurz zu Dirk van Kombasts Haus. Er schreckte zurück. Doch hinter der Gardine hatte sie ihn nicht gesehen. »Ich kann mir ja ein paar Krümel mit Tesa unter meine Armbanduhr kleben.«
»Finde ich zwar total umständlich, aber besser als nichts«, meinte Daka.
Dann liefen die Mädchen auf die Einfahrt von Haus Nummer 23 und verschwanden kurz darauf hinter der Wohnungstür.
Dirk van Kombast lehnte sich zurück und starrte nachdenklich auf den Bildschirm, auf dem er als Hintergrund ein altes Foto von sich und seiner Mutter geladen hatte. »Hast du das gehört? Sie soll sich Heimaterde in den Bauchnabel stecken. Ist das nicht ... verdächtig?«
»Was soll denn daran verdächtig sein? Das sind zwei Mädchen zwischen zehn und 16, die haben eben nur Blödsinn im Kopf. War bei mir genauso.«
Dirk drehte sich verwirrt zu Sonja um. »Ich habe nicht mit dir geredet.«
Sonja sah sich irritiert im Zimmer um. »Sondern?«
»Mit meiner Mutter.« Dirk deutete mit dem Kinn auf den Bildschirm.
»Oh.« Sonja zog die Augenbrauen hoch. »Deine Mutter. Verstehe. Ich ... ich geh dann mal lieber.«
Dirk van Kombast nickte abwesend und starrte vor sich hin. Er bekam nur nebenbei mit, wie Sonja das Haus
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