Eine Freundschaft im Winter
Zahltag unter dem Bar-Tresen hervorgeholt wurde. Der Mitarbeiter der Bergwacht, der in der Zeit vom letzten bis zum aktuellen Zahltag die dümmste Aktion geliefert hatte, musste seine Geschichte ins Buch schreiben und sie anschließend laut vorlesen. Jill war noch bei keinem dieser Events dabei gewesen, hatte aber schon viele Geschichten darüber gehört. Sie fühlte sich verunsichert und empfand die Aussicht, derartig an den Pranger gestellt zu werden, als demütigend.
»Abgemacht«, sagte sie schnell. »Möchtest du das Bier in der Lodge trinken oder zu Hause?«
»Ach, ich finde, die Lodge hat das richtige Ambiente. Außerdem sind dort die heißesten Frauen.«
»Klar«, sagte sie.
Sie kamen an den Warnhinweisen vorbei, die an den Stützpfeilern des Skilifts angebracht waren und die Skifahrer darauf aufmerksam machten, sich zum Ausstieg bereitzuhalten. Als ihre Skier den Boden der Rampe berührten, erhoben sie sich und glitten zur Seite weg. Dann fuhren sie den Mäander hinunter – ebenfalls eine leichte Abfahrt.
»Diesmal fährst du voraus!«, rief Tom und ließ sich zurückfallen. »Mir bleibt nur noch eine Woche, um den ›Bohrer‹ abzutreten.«
Nach der Abfahrt gingen sie in die Lodge . An der Bar bestellte Jill für Tom zwei Flaschen Fat Tire Amber-Bier und eine für sich selbst. Während sie sich den Weg zu Tom zurück bahnte, dachte sie daran, dass er der Bruder war, den sie sich immer ge wünscht, jedoch nie gehabt hatte. Sie prosteten sich zu und tranken.
Lisa kam herein, erblickte die beiden und nahm sich, während sie zu ihnen kam, Mütze, Skibrille und Halswärmer ab.
»Siehst du, Jill? Frauen werfen nur einen Blick auf mich und fangen direkt an, sich auszuziehen«, sagte Tom.
»Das ist eindeutig dein Duft nach Alphamännchen«, erwiderte Jill.
»Eindeutig«, stimmte Tom ihr zu.
»Tom hat mir seine ›Tierreich‹-Theorie für Beziehungen erklärt«, sagte Jill, nachdem sie sich begrüßt hatten.
»Ist nicht wahr«, entgegnete Lisa.
»Erzähl uns von Lisas Paarungsstrategie«, forderte Jill ihn auf.
»Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte Tom, »weil es zwei Möglichkeiten gibt. Okay, die Weibchen vieler Spezies geben Zeichen, wenn sie fruchtbar sind. So lassen sie die Männ chen wissen, dass ihre große Chance gekommen ist. Aber Frauen verstecken auch ihre Fruchtbarkeit. Wir wissen nie, wann sie so weit sind. Wenn ein Mann also seine Chancen, die Frau zu befruchten, vergrößern will, muss er ein paar Wochen bei ihr bleiben. Und wie bringt er sie dazu, ihn so lange auszuhalten? Er ist nett zu ihr. Weil er sie wirklich mag und etwas für sie empfindet? Nein. Weil er mit ihr schlafen will. Das ist alles. So einfach ist das. Wenn Lisa ihre Männer überzeugen kann, der Vermutung anzuhängen, dass sie auch nur den Hauch einer Chance haben, in ihr Bett zu kommen, dann tun die Kerle alles Mögliche für sie. Sven repariert ihr Dach. Ich räume Schnee auf ihrem Gehweg. Cody kocht für sie. Und so weiter und so weiter.«
Lisa nickte. »Stimmt. Männer tun alles für eine Frau, wenn sie glauben, bei ihr landen zu können.«
»Das ist die eine Möglichkeit. Ein Problem entsteht dann, wenn wir mal annehmen, was mit Lisa passieren würde, sollte sie tatsächlich schwanger werden. Sie hätte keinerlei Unterstützung, weil sie sich nicht abgesichert hat, ehe sie den vermeintli chen Vater rangelassen hat. In unserer Kultur haben wir Männer wirklich Erstaunliches geleistet, damit unsere Paarungsstrategie – der häufige Partnerwechsel – angesagt ist. Frauen wie Lisa fragen sich nicht einmal mehr, was in ihrem eigenen Interesse ist, und das ist für uns Alphamännchen natürlich gut.« Er sah die beiden herausfordernd an. »In vielen Spezies ziehen Weibchen es vor, sich mit einem Alphamännchen zu paaren, obwohl das Männchen schon lange auf und davon sein wird, noch ehe das Kind geboren ist. Die Weibchen wünschen sich für ihre Nachkommen Alphamännchenqualitäten – gutes Aussehen, Sportlichkeit, eine gute Singstimme, eine hochgewachsene Statur –, damit sich die nächste Generation im Kampf um einen oder viele Partner durchsetzen kann und die Gene weitergibt. Doch man sieht üblicherweise in Szenarien, in denen es wenig Hoffnung und wenig Nahrung gibt, dass die Weibchen ihre Nachkommen allein und früher als gewöhnlich in die Welt hin ausschicken müssen. Die Strategie des Alphaweibchens ist da her selbstverständlich, einen Partner an sich zu binden, damit er ihr möglichst lange
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