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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Andererseits, wo wäre ich gewesen, wenn meine Mutter nicht mit einem Sergeant der Polizei ins Bett gestiegen wäre? Was gut genug für sie gewesen war, musste auch für mich reichen. Ich machte weiter mit »Mi tradi quel Palma ingrata«, während ich die Smith & Wesson reinigte und ölte. Die Melodie ist so strahlend, dass mir die Arie oft in glücklichen Augenblicken einfällt, trotz der verzweifelten Worte. Als ich mir später das Öl von den Fingern schrubbte, fragte ich mich jedoch, wer der undankbare Lump sein mochte. Bestimmt nicht Conrad Rawlings oder Mr. Contreras. Aber damit blieb ein weites Feld übrig, zu dem auch Jason Felitti, Milt Chamfers und mein guter alter Exmann Dick gehörten. Im Gegensatz zu Mozarts Heldin empfand ich nicht viel Mitleid für die Leute bei Diamond Head, aber ein Fünkchen Sentimentalität ließ mich hoffen, dass Dick nicht bis zum Hals in deren Dreck steckte.
    35
     
    Bis die Pistole sauber war und ich mich angezogen hatte, war es nach vier. Ich rief Larry an, den Mann, der meine Wohnung in Ordnung bringt, wenn sie verwüstet worden ist, und erklärte das Problem. Er würde es erst am nächsten Mittwoch schaffen herzukommen, aber er empfahl mir einen Glasernotdienst, der schon morgen früh das Fenster reparieren würde.
    Nachdem ich über die Angelegenheit nachgedacht hatte, beschloss ich, einen Alarmdienst anzurufen, der meine Türen und Fenster elektronisch sicherte. Ich bekam den Anrufbeantworter mit der Nachricht, ich solle am Montagmorgen wieder anrufen. Ich hasse es, in einer Festung zu leben. Es ist schon schlimm genug, die Wohnung jeden Abend zu verbarrikadieren, aber ich kann es mir einfach nicht leisten, dass Leute in meine Fenster einsteigen.
    Den Rest des Nachmittags verbrachte ich damit, Bretter vor das kaputte Fenster zu nageln und die anderen mit Streben zu sichern. Danach fühlte ich mich unruhig und zu allem Überdruss verlassen. Normalerweise bringt mir die Einsamkeit ein Gefühl des Friedens, aber jetzt glaubte ich nicht, auch nur eine Nacht hinter den verbreiterten Fenstern verbringen zu können.
    Ich hätte Conrad anrufen können, doch es wäre ein Fehler gewesen, eine Beziehung in einem Abhängigkeitszustand anzufangen. Ich zögerte eine Weile, dann rief ich Lotty bei Max an.
    »Ich glaube, ich habe die Leute gefunden, die dich überfallen haben«, begrüßte ich sie unvermittelt. »Das heißt, sie haben mich gefunden.« »Oh?« Ihr Ton war vorsichtig.
    Ich erklärte, was gestern Nacht passiert war, und unterstrich, dass ich Finchley und Rawlings alles gesagt hatte, was ich über Mitch Kruger und Diamond Head wusste. »Aber ich kann mir Kater nach einer arbeitsreichen Nacht nicht vorstellen, dass sie es besonders ernst genommen haben. Sie glauben, es war meine gerechte Strafe für den Einbruch in die Fabrik, dass ich in den Kanal gejagt worden bin.« Ich holte tief Luft. »Lotty, ich weiß, dass du wütend auf mich warst, weil du an meiner Stelle überfallen worden bist. Ich nehme es dir nicht übel. Aber ... ich kann heute Abend einfach nicht allein sein. Es war zu viel - da sind zu viele Leute, die versuchen ... « Ich merkte, dass Tränen meine Stimme erstickten; ich konnte nicht weitersprechen. »Vic, nein!« Ich zuckte vor der Schärfe in ihrer Stimme zusammen. »Ich kann dir im Augenblick nicht helfen. Es tut mir leid. Es tut mir aufrichtig leid, dass du gestern eine so schlimme Nacht hattest. Ich würde dir gern dabei helfen, dich wieder zusammenzuflicken - nur bin ich im Augenblick selber erledigt. Ich kann dir nicht helfen.« »Ich ... Lotty ...« Aber sie hatte den Hörer an Max weitergegeben. Max war unerwartet sanft, entschuldigte sich sogar für seine Schroffheit an dem Abend, an dem Lotty überfallen worden war. »Ihr erwartet beide voneinander, dass ihr unbesiegbar seid; wenn das nicht der Fall ist, leidet ihr«, fügte er hinzu. »Lotty ... im Augenblick ist sie in keinem guten Zustand. Sie ist nicht wütend auf dich, aber sie hat das Gefühl, sie muss wütend sein, damit sie überhaupt noch halbwegs funktionsfähig ist. Kannst du das verstehen? Etwas auf Distanz gehen, ihr Zeit lassen?« »Mir bleibt wohl nichts anderes übrig«, sagte ich bitter.
    Als wir aufgelegt hatten, stand ich mitten im Zimmer, die Hände gegen den Kopf gepresst, beim Versuch, das kochende Innere daran zu hindern, durch meine Schläfen herauszuquellen. Ich konnte keinen Augenblick länger in dieser Wohnung bleiben, das war sicher. Ich stopfte wahllos Kleider in eine

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