Eine für alle
zigmal durchgegangen und begreif ums liebe Leben nicht, was daran so wichtig sein soll, dass er sie mit sich herumgeschleppt hat. Sie können sie haben.« Sie drückte mir ein in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen in die Hände.
37
Huhn für Mr. Contreras
Es war fast halb neun, als ich an der Belmont Avenue vom Kennedy Expressway abbog. Mrs. Polter hatte noch ein Bier mit mir trinken wollen, bevor ich ging, als Beweis unserer Versöhnung.
Obwohl ich keine Biertrinkerin bin, hielt ich es für diplomatisch klug, ihre freundlicheren Gefühle mir gegenüber aufrechtzuerhalten.
Sam hatte einen Sechserpack und zwei Gläser gebracht und ängstlich auf der Schwelle gestanden, um sich zu vergewissern, dass ich ihr nichts tat. Als sie ihre hochdramatisch eingefärbten Lebensgeschichten beendet hatte, klatschte sie mir auf den Schenkel und teilte mir mit, ich sei nicht annäherend so hochnäsig, wie ich zunächst gewirkt hätte. Ich hielt an einer Telefonzelle in der Nähe der Ashland Avenue an, um Mr. Contreras anzurufen, zum Teil, um ihm zu sagen, dass ich noch am Leben war und mich verspäten würde. Er war hörbar erleichtert, dass ich mich meldete; ich versprach ihm, beim Abendessen alles zu erzählen.
Es hatte wohl keinen Sinn, den Impala zu verstecken. Inzwischen würde jeder, der wissen wollte, wo ich steckte, eine ziemlich genaue Vorstellung von jeder meiner Bewegungen haben. Ich war jedenfalls nicht überzeugt davon, dass Mrs. Polter nicht gleich nachdem ich ihr Haus verlassen hatte, Milt Chamfers anrief. Ich saß eine Weile meiner Wohnung gegenüber im Auto und musterte die Straße nach Leuten, die fehl am Platz wirkten. Schließlich rutschte ich über den Sitz aus der Beifahrertür hinaus, die Pistole in der Hand. Als ich zur Haustür kam, fuhr langsam ein Streifenwagen vorbei, die Suchscheinwerfer ostentativ auf den Eingang gerichtet. Ich stellte den Koffer ab und winkte mit der linken Hand, in der Hoffnung, dass die Schatten die Smith & Wesson verbargen. Sergeant Rawlings im Dienst. Ich wusste nicht, ob mir der kleine Funke von Wärme, den ich bei dem Gedanken hatte, gefiel: Es ist ein Fehler, für das eigene Wohlbefinden zu abhängig von jemand anderem zu werden.
Mr. Contreras kam eilig heraus, um mich im Eingang zu begrüßen. Er bestand darauf, mir den Koffer abzunehmen und ihn nach oben zu tragen. Ich bot ihm wahlweise Wein oder Whisky an, aber er hatte eine Flasche Grappa mitgebracht. Er setzte sich mit einem Glas an den Küchentisch, während ich trockene Schuhe und ein sauberes Paar Jeans anzog.
Mrs. Polters in Zeitungspapier eingeschlagenes Päckchen hatte ich mir noch gar nicht angeschaut - ich hatte es bloß in den Bund der Jogginghose geschoben, als sie es mir überreicht hatte. Ich hatte das Bündel auf die Frisierkommode gelegt, während ich mich umzog, aber ich musterte es ständig. Als ich in die Küche zurückging, holte ich tief Luft und nahm es mit.
Ich legte es beiläufig vor Mr. Contreras auf den Tisch. »Das sind Mitchs persönliche Papiere. Mrs. Polter hat sie nach seinem Tod aus seinem Zimmer geklaut, aber sie hat sich dazu entschlossen, sie mir zu geben. Wollen Sie mal nachschauen, ob was Heißes dabei ist, während ich mich um das Abendessen kümmere?«
Ich gab Olivenöl in eine Bratpfanne, hackte Pilze und Oliven, als wäre das kleine Bündel völlig uninteressant für mich. Hinter mir hörte ich das Zeitungspapier rascheln, als Mr. Contreras es abnahm und dann den Inhalt mühselig auseinandersortierte. Ich bestäubte das Huhn mit Mehl und gab es in die Pfanne. Das Bratgeräusch übertönte das Hantieren mit Papieren.
Schließlich, nachdem ich das Huhn mit Brandy flambiert und die Pfanne abgedeckt hatte und nachdem ich mir mit der Sorgfalt eines Chirurgen die Hände gewaschen und mir einen großen Whisky eingeschenkt hatte, um das dünne Bier zu vergessen, von dem ich dauernd aufstoßen musste, setzte ich mich neben Mr. Contreras. Er schaute mich skeptisch an. »Ich kann nur hoffen, dass Sie nicht deswegen fast ums Leben gekommen sind, Engelchen. Das sieht nach einem ganzen Stapel Blödsinn aus. Natürlich hat es Mitch etwas bedeutet, und manches davon hat einen gewissen sentimentalen Wert, sein Gewerkschaftsausweis und so, aber der Rest... Viel ist es nicht, und lauter Sch-. Na ja, schauen Sie sich das selber an.«
Ich spürte, dass mein Zwerchfell auf Tauchstation ging. Ich hatte zu viel erwartet. Ich griff nach dem Stapel, der dreckig war von dem gründlichen Befingern in
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