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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Blaupausen voll. Ich habe mich damit abgefunden. Mutter hat das nie gelernt. Sie hat immer geglaubt, Regeln gelten nur für andere Menschen, nie für sie, und jetzt muss sie es auf die mühsame Tour lernen, dass das nicht stimmt.«
    Ich hätte immer gern in der Meisterklasse gespielt, war aber stattdessen beim Jurastudium gelandet. Und ich hatte mir Stipendien verdient und abends und den Sommer über gearbeitet, damit ich es schaffte. Es fiel mir schwer, Tränen wegen Byrons gescheiterter Träume zu vergießen, aber Mrs. Frizell tat mir leid. »Es ist schwer, einen Studienplatz für Tiermedizin zu bekommen«, sagte ich laut, »und vor fünfundsechzig Jahren war das für eine Frau bestimmt so gut wie unmöglich.« »Und ich brauche auch keine verfluchte Belehrung über Frauenrechte. Solange Frauen sich nicht ordentlich um ihre Kinder kümmern können, haben sie keine anderen Rechte verdient. Ich kann mir ganz gut vorstellen, was sie getan hat, um meinen Vater zu verjagen. Wer zum Teufel sind Sie eigentlich, dass Sie es sich herausnehmen, mich zu belehren? Was haben Sie für Mutter getan? Ihr Handbücher über Tiermedizin gebracht?«, höhnte er wütend.
    »Ich bin Anwältin. Und Privatermittlerin.« »Wenn Sie Anwältin sind, was tun Sie dann für Mutter?« »Ich versuche, ihre Habe zu schützen. Sie macht sich deshalb Sorgen.« »Ich habe keine - o ja. Sie behaupten, dass Sie kostenlos arbeiten. Schön, ich spreche mit Pichea über Sie und kriege raus, was er dazu zu sagen hat, Mrs. Warinski.«
    »Ich heiße Warshawski«, blaffte ich. »Und schreiben Sie sich meine Nummer doch auch auf. Legen Sie die neben seine, dann können Sie mich erreichen, wenn Sie das nächste Mal ein Anfall von Sohnesliebe überkommen sollte.« Er legte auf, ehe ich die ersten drei Zahlen herausgebracht hatte.
    Ich saß auf dem Wohnzimmerboden und schaute das Telefon an. Meine Mutter starb, als ich fünfzehn war; es gibt immer noch Nächte, in denen sie mir so sehr fehlt, dass ein körperlicher Schmerz an meinem Zwerchfell nagt. Aber lieber hätte ich jede Nacht im Jahr diesen Schmerz empfunden, als sechzig zu werden und immer noch an einem unverdauten Klumpen Zorn zu würgen.
    Mein Magen unterbrach meine missmutigen Gedanken. Ein Gefühl von Leere machte mich vermutlich missmutiger, als es der Situation angemessen gewesen wäre - ich hatte nicht gefrühstückt, und die Mittagessenszeit war schon lange vorbei. Die Küche gab nichts Appetitliches her. Ich zog leichte Baumwollhosen und ein T-Shirt an, machte im Belmont Diner Station auf ein Schinkensandwich mit Salat, Tomaten und Fritten und fuhr nach Süden.

14
    Auf Luthers Spuren
    Mitchs alte Adresse in der Thirty-fifth Street erwies sich ebenfalls als eine Pension, allerdings eine Klasse besser als die von Mrs. Polter. Das schäbige, weiß gestrichene Holzhaus war makellos sauber, von der gescheuerten Treppe bis zu dem Wohnzimmer, in dem Ms. Coriolano mit mir sprach. Sie war eine Frau um die fünfzig und erklärte mir, sie führe das Haus für ihre Mutter, die mit dem Vermieten angefangen habe, als ihr Vater vor zwanzig Jahren beim Sturz von einem Gerüst gestorben sei.
    »Es war damals schwer, von der Sozialhilfe zu leben - jetzt ist es unmöglich, und Mama hat Arthritis, kann nicht mehr gehen, nicht mehr Treppen steigen.« Ich schnalzte mitfühlend mit der Zunge und brachte das Gespräch auf Mitch. Ms. Coriolano hob die Hände. Er hatte seit drei Jahren bei ihnen gewohnt, war von einem der anderen Mieter, Jake Sokolowski, hergebracht worden. So ein verantwortungsbewusster, zuverlässiger Mann, sie hatten seinen Freund mit Freuden aufgenommen, aber Mr. Kruger zahlte die Miete nie pünktlich, kein einziges Mal. Und nachts torkelte er betrunken ins Haus, weckte Mama, die unter Schlafstörungen litt - was konnte sie da schon tun? Sie hatte ihn immer wieder verwarnt, ihm immer wieder Zahlungsaufschub eingeräumt, ihn aber schließlich hinauswerfen müssen.
    »Er hat im Schlaf das Bettzeug angezündet, als er betrunken war. Zum Glück war es eine von Mamas schlaflosen Nächten. Sie hat Rauch gerochen - geschrien -, ich bin aufgewacht und habe das Feuer selbst gelöscht. Sonst würden wir jetzt alle in Urnennischen im Grant Park ruhen.«
    Sie hatte Mitch seit dem Morgen nach dem Brand, als sie ihn zum Ausziehen gezwungen hatte, nicht mehr gesehen, aber es war ihr recht, dass ich mit Sokolowski sprach. Er saß im winzigen Hinterhof und war über dem Herald-Star eingeschlafen. Ich hatte ihn vor

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