Eine für alle
drei Jahren kennengelernt, als er mit Kruger und Mr. Contreras versucht hatte, Lottys Praxis zu verteidigen. Als ich ihn weckte, war klar, dass er mich nicht erkannte, aber wie Mitch erinnerte er sich begeistert an den Kampf.
Dass Mitch vermisst wurde, machte Sokolowski keine großen Sorgen. »Schläft vermutlich irgendwo seinen Rausch aus. Es sieht Sal gar nicht ähnlich, dass er sich wegen einem Kerl wie Mitch Sorgen macht. Vermutlich trinkt er zu viel von diesem Gesöff, das er Grappa nennt.«
Als ich nachhakte, versuchte er sich daran zu erinnern, wann er Mitch zum letzten Mal gesehen hatte. Nach reiflicher Überlegung kam er zu dem Schluss, es sei am letzten Montagnachmittag gewesen. Mitch war vorbeigekommen, um Jake dazu zu überreden, mit ihm einen trinken zu gehen. »Aber ich weiß, wie das endet. Im Handumdrehen hat er zehn Drinks intus, und dann muss man ihn entweder nach Hause tragen oder für eine Fensterscheibe blechen.«
Tessie hatte recht gehabt, Mitch hatte eine Stammkneipe, und zwar in der Nähe der Pension der Coriolanos, am Paul's Place an der Kreuzung der Thirty-sixth Street und der Seely Avenue. Jake war sich sicher, dass Mitch am Montag dorthin gegangen war. Er machte es sich wieder unter dem Sportteil der Zeitung bequem, als ich ins Haus zurückging.
Ich dankte Ms. Coriolano für ihre Hilfe und ging zu Paul's Place hinüber. Es war ein karg möblierter Schuppen, spartanischer als Tessies Kneipe, in dem ein halbes Dutzend Männer sich in einem kleinen Fernseher ein Spiel der Sox anschaute. Der Barkeeper, ein Kahlkopf in den Sechzigern mit kräftigen Oberarmen und einem kugelrunden Bauch, kaute auf einem Zahnstocher herum. Er lehnte am Ende des Tresens an der Wand, schaute sich das Spiel an, brachte den Stammgästen Nachschub, ohne mich zu beachten.
Ich wartete respektvoll, bis Ozzie Guillen zwei Läufer perfekt ausgespielt hatte, dann rückte ich mit meinen fadenscheinigen Fragen heraus. In einer Kneipe, in der Mitch bekannt war, versuchte ich gar nicht erst, mich als seine Nichte auszugeben, sondern erklärte, ich sei eine Freundin von Mr. Contreras, der hier unbekannt war. Mitch kannten hingegen alle, auch der Barkeeper.
»Ich hab gewusst, dass Tonia ihn schließlich rausgeschmissen hat«, äußerte er und schob den Zahnstocher in den Mundwinkel. »Er hat hier versucht, ein Zimmer zu schnorren. Niemand hat angebissen; wir kannten den Kerl zu gut.« »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
Sie diskutierten darüber, aber ehe sie sich schlüssig wurden, bekamen die Sox das Schlagrecht. Es war nicht der Glückstag von Jack Morris: Die Sox schickten sieben Männer zum Schlagmal und mussten durch eine Reihe von Fehlern und ein Doppelaus von Sammy Sosa vier Läufe gegen sich hinnehmen. Der Durchgang dauerte so lange, dass die Gruppe mich und Mitch Kruger vergaß. Ich wiederholte die Frage, wann sie ihn zum letzten Mal gesehen hatten.
»Es muss am Montag gewesen sein«, sagte der Barkeeper schließlich. »Er hat Runden ausgegeben. Mitch ist großzügig, wenn er bei Kasse ist, also haben wir ihn gefragt, ob er beim Pferderennen gewonnen hat. Er sagt nein, aber er wird bald im Geld schwimmen, und er ist nicht der Typ, der seine Freunde vergisst.« Einige murmelten zustimmend - Mitch war großzügig, wenn er Geld hatte. Weil es schon eine Woche her war, konnten sie sich nicht mehr daran erinnern, wohin er gewollt hatte, als er gegangen war, oder ob er noch etwas darüber gesagt hatte, was ihn reich machen würde. Ich blieb noch so lange, bis ich mitbekam, dass die Tigers im sechsten Durchgang ihrerseits einbrachen. Dann fuhr ich nach Nordosten zum Loop.
Seit ich am Freitagabend mit Dick telefoniert hatte, fragte ich mich, was ich gegen Todd Pichea unternehmen könnte. Schließlich hatte ich Dick gesagt, ich sei auf Pichea angesetzt worden. Ich konnte schlecht zugeben, dass ich nur geblufft hatte. Außerdem wollte ich wirklich etwas gegen den kleinen Floh unternehmen. Aber zwischen Aufregung und Beschämung war ich nicht fähig gewesen, mir etwas auszudenken, bis ich Jake Sokolowski gesehen hatte, der unter dem Herald-Star döste. Das South Loop hat die Schickimickiläden, die auch am Sonntagnachmittag offen haben, noch nicht angezogen. Ich fand ohne Mühe einen Parkplatz vor dem Pulteney-Gebäude. Wir haben weder einen Portier noch einen Wachmann, der es am Wochenende geöffnet hält. Der mürrische Hausmeister Tom Czarnik schließt die Tür am Samstagmittag ab und macht sie am
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