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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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eine Falle geraten konnte. Ich parkte an der Thirty-second Street und ging die paar Kreuzungen zur Fabrik zu Fuß.
    Sattelschlepper erschütterten die Nebenstraßen, belieferten die Fabriken in der Nähe und holten Fracht ab, vertieften die Löcher im pockennarbigen Asphalt. Ich ging am unkrautüberwucherten Straßenrand entlang und stolperte gelegentlich über Erdhügel, die sich unter dem hohen Gras versteckten. Als ich zum Eingang von Diamond Head kam, schwitzte ich heftig und verfluchte mich, weil ich statt der ausgelatschten Nikes Halbschuhe trug.
    Auf einem asphaltierten Platz neben dem Eingang parkten ein paar Autos. Eins war ein neues Modell von Nissan, die anderen unauffälliger - Fords, Chevys und ein kastanienbrauner Honda. Ich ging hinüber und schaute ihn an, konnte aber nicht feststel len, ob es derjenige war, der mich gestern verfolgt hatte.
    In dem alten Backsteinbau war die Luft kühl und ruhig. Ich stand eine Weile in der kleinen Halle, um mich von der Hitze zu erholen. Vor mir lag ein Flur, der direkt zu einer alten Eisentreppe und einer Flügeltür aus Metall führte.
    Die Türen und die Innenwände mussten ganz schön dick sein - ich musste mich anstrengen, damit ich Geräusche von außen hörte. Diamond Head stellte kleine Motoren für den Spezial bedarf her, vor allem für Flugzeuglandeklappen. Vielleicht war dazu nicht das Maschinengekreisch nötig, das ich mit Fabriken in Verbindung brachte.
    Ich versuchte gedanklich eine Verbindung zwischen dem Eingang und dem Büro herzustellen, in das Chamfers mich letzte Woche gebracht hatte. Ich war nun auf der Südseite des Gebäudes, und die Laderampe war im Osten. Damals war ich auf der Nordseite gewesen. Chamfers' Büro musste irgendwo auf der anderen Seite der Eisentreppe direkt vor mir liegen. Ich musste einen Rundgang durch die Fabrik machen. Die schweren Metalltüren waren abgeschlossen. Ich versuchte es eine Weile auf beiden Seiten, spannte vor Anstrengung die Schultern an, musste aber aufgeben. Ich konnte wieder hinausgehen und mein schändliches Eindringen über die Laderampe wiederholen, oder ich konnte ausprobieren, wohin die Eisentreppe führte.
    Als ich die Treppe hinaufging, fiel mir eine dahinterliegende Tür auf. Ich stieg wieder hinunter und probierte sie aus. Sie ging ziemlich leicht auf und führte mich auf den Flur, an dem Chamfers' Büro lag.
    Sechs bis sieben Bürotüren mit Maschendrahtglas im Oberteil befanden sich auf der linken Seite. Rechts, gleich neben dem Eingang, den ich benutzt hatte, war eine weitere Flügeltür aus Metall angebracht. Neugierig öffnete ich sie langsam und blickte in einen langen, offenen Montageraum. Etwa ein Dutzend Frauen standen an hohen Tischen und steckten Schrauben oder etwas Ähnliches in die Motoren vor ihnen. Ein Mann überprüfte mit einer der Frauen einen Motor. Der Raum hätte leicht fünfmal so viele Menschen fassen können. Es sah aus, als mache Diamond Head schwere Zeiten durch. Ich machte die Tür zu und ging den Flur entlang, um Chamfers zu suchen - vielmehr seine Sekretärin. Ich hoffte, den Fabrikleiter gar nicht zu Gesicht zu bekommen. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar in der Hoffnung, dadurch etwas professioneller auszusehen, und steckte die Nase in die erstbeste Tür.
    Wie die meisten Büros, die in Industrieanlagen eingebaut sind, war der Raum ein winziges Kabuff, gerade groß genug für ein paar Aktenschränke und einen ramponierten Schreibtisch. Ein Mann in mittleren Jahren beugte sich über einen Stapel Papiere und umklammerte mit der rechten Hand heftig den Telefonhörer. Ein paar braune Strähnen waren über den zurückgehenden Haaransatz gekämmt, den Kampf, in die Krepphosen zu passen, hatte er offensichtlich aufgegeben. Er hatte nicht zu der Gruppe um Chamfers gehört, die ich am Freitag gesehen hatte.
    Er schaute nicht auf, als ich die Tür öffnete, sondern musterte weiter stirnrunzelnd die Papiere. Schließlich sagte er: »Natürlich sind Sie nicht bezahlt worden. Das liegt daran, dass Sie sich nicht an unsere neuen Zahlungsregelungen halten. Alles muss über Garfield in Bolingbroke gehen.« Er hörte wieder zu und sagte dann: »Nein, es wäre nicht sinnvoll, wenn dort auch die Bestellungen aufgegeben würden. Die können doch unmöglich wissen, was wir brauchen. Wenn Sie das Kupfer nicht bis Freitag liefern, spreche ich mit der Staatsanwaltschaft.«
    Es ging eine Weile hin und her, ob es nötig sei, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Ich hörte schamlos mit.

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