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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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grünlichen Färbung seines Gesichts zu schließen, hatte Mr. Contreras die Immunität, die er sich vor fünfzig Jahren auf den Schlachtfeldern Italiens erworben hatte, ebenfalls eingebüßt. Er räusperte sich und sprach mit belegter Stimme. »Sieht irgendwie nach Mitch aus. Kann mir bloß nicht sicher sein. Das Gesicht - das Gesicht -« Er wedelte mit der Hand, und seine Beine gaben nach.
    Der Angestellte fing ihn auf, ehe er umfiel. Ich fand an der Wand einen Stuhl und schob ihn heran. Der Angestellte setzte Mr. Contreras ab und stieß ihm den Kopf in den Schoß. Im ganzen Durcheinander, sich um ihn zu kümmern, ein Glas Wasser zu holen und ihn dazu zu bringen, dass er es trank, verging meine Übelkeit.
    Nach einer Weile setzte Mr. Contreras sich auf. »Tut mir leid. Weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Ich weiß nicht, ob das Mitch ist. Irgendwie schwer zu sagen. Könnten Sie sich seine linke Hand anschauen, Schätzchen? Er hat sich vor etwa dreißig Jahren die Kuppe vom Mittelfinger abgeschnitten, weil er betrunken gearbeitet hat. Ich war dabei, und ich hätte sehen müssen, was gleich passiert, ihn von der Maschine wegholen müssen, aber ich hab nicht gedacht, dass es gefährlich ist.« Tränen, die mit der alten Verletzung nichts zu tun hatten, liefen ihm über die Wangen.
    Ich zwang mich, zu der aufgeblähten Leiche zurückzugehen. Der Angestellte zog den Plastiksack zurück, so dass die linke Hand zu sehen war. Die Finger waren auch versch wollen und verfärbt, aber es war deutlich zu sehen, dass am mittleren fast das ganze erste Glied fehlte.
    Finchley nickte mir über die Bahre hinweg zu. »Das reicht mir. Ich muss euch beiden ein paar Fragen stellen. Glaubst du, dein Freund hält noch eine Weile durch?«
    Mr. Contreras schloss sich meinen Versicherungen über seine Zähigkeit an. Finchley ging voraus in ein kahles Nebenzimmer um die Ecke vom Kühlraum. Mr. Contreras bewegte sich nicht mit dem üblichen Schwung, aber als wir uns setzten, hatte er wieder etwas Farbe.
    »Nicht gerade mein Glückstag«, sagte Finchley, »dass ich dich bei dem tiefgefrorenen Kollegen finde, den ich mir anschauen soll.«
    »Du meinst, es ist dein Glückstag«, verbesserte ich ihn. »Zum Beispiel hättest du ihn ohne mich nicht identifiziert. Und außerdem wirst du noch froh über meine Hilfe sein. Ich kann an diesem Fall rund um die Uhr arbeiten, und du hast Dutzende am Hals... Das heißt, ist er umgebracht worden? Oder hat er sich irgendwo den Kopf angeschlagen und ist hineingefallen?«
    Finchley zog einen Zettel aus der Jackentasche. »Vishnikov sagt, er hat einen schweren Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Falls er gefallen ist und sich dabei verletzt hat, ist er nach hinten gefallen. Und weil er tot war, ehe er ins Wasser gefallen ist, muss er den Schlag vorher bekommen haben. Es ist möglich, dass ihn irgendein Ganove tot aufgefunden und ins Wasser gerollt hat - dort am Wasser gibt es jede Menge Drogenschiebereien. Die Dealer legen keinen Wert darauf, wegen einer Leiche die Polizei zu rufen. Es würde mich nicht überraschen, wenn es so gewesen wäre.«
    Ich war seiner Meinung. »Oder Mitch hat sich dort herumgetrieben, bei einem Deal gestört, und jemand hat ihn ausgeknockt. Und hat dann das große Flattern bekommen, als er gemerkt hat, dass er tot ist. Das kann ich mir vorstellen.«
    »Aber warum war er am Kanal?«, fragte Finchley. »Dort ist ein reines Industriegebiet - nicht die Gegend, in der man einen Mitternachtsspaziergang macht, ganz gleich, wie blau man ist.«
    Ich schaute zu Mr. Contreras hinüber. Er schien unserem Gespräch nicht zuzuhören. »Er hat früher für Diamond Head Motors gearbeitet, zwischen der Thirty-first Street und der Damen Avenue. Vielleicht war er dort, um Arbeit zu suchen - allen Berichten nach war er äußerst knapp bei Kasse.«
    Finchley kritzelte Diamond Head auf das zerknitterte Papier auf seinem Knie. »Und was hast du hier verloren, Warshawski? Du weißt, das ist die erste Frage, die der Lieutenant mir stellen wird.«
    Der Lieutenant war Bobby Mallory, mir gegenüber nicht mehr so feindselig, wie er es früher gewesen war, aber immer noch kein großer Fan meines Lebenswerks. »Reiner Zufall, Detective. Mr. Contreras und ich sind Nachbarn. Er hat mich beauftragt, seinen Freund zu suchen. Das ist nicht meine Lieblingsmethode, meinen beruflichen Verpflichtungen gerecht zu werden ... Wie lange war er Vishnikovs Meinung nach im Wasser?«
    »Etwa eine Woche. Wann habt ihr ihn zum

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